Das mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO aufgenommene Bild zeigt die nahe gelegene Galaxie NGC 4254. Das goldene Leuchten entspricht hauptsächlich Wolken aus ionisiertem Wasserstoff-, Sauerstoff- und Schwefelgas, die das Vorhandensein von neu geborenen Sternen anzeigt. Die bläulichen Regionen im Hintergrund bildet die Verteilung von etwas älteren Sternen ab.
Foto: ESO/PHANGS

Astronomen haben unter anderem mit dem Very Large Telescope (VLT) in der Atacama-Wüste in Chile in nahen Galaxien die Entstehungsorte von neuen Sternen identifiziert. Die spektakulären Aufnahmen helfen den Forschern – in Kombination mit bereits bekannten Daten – zu verstehen, was letztlich eine Sternengeburt auslöst.

Dass Sterne in Gaswolken geboren werden, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Was jedoch den Anstoß zur Sternentstehung gibt und wie Galaxien als Ganzes dabei mitspielen, ist nach wie vor ein Rätsel. Um diese Prozesse zu verstehen, hat ein Forscherteam verschiedene nahe gelegene Galaxien mit leistungsstarken terrestrischen und Weltraum-Teleskopen beobachtet und die verschiedenen galaktischen Regionen, die an der Sternentstehung beteiligt sind, untersucht.

Stellare Geburtsphasen

"Zum ersten Mal lösen wir einzelne Sternentstehungsgebiete mit einer großen Vielfalt an Regionen und Umgebungen in einer Auswahl von Galaxien auf, die die verschiedenen Varianten gut repräsentiert", sagt Eric Emsellem, Astronom an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Deutschland und der Universität Lyon, Frankreich. Er leitete die VLT-basierten Beobachtungen, die im Rahmen des PHANGS-Projekts (Physics at High Angular Resolution in Nearby GalaxieS) durchgeführt wurden. "Wir können das Gas, aus dem die Sterne entstehen, direkt beobachten. Wir sehen die jungen Sterne selbst, und wir werden Zeuge ihrer Entwicklung im Verlauf verschiedener Phasen."

Emsellem und sein Team haben nun ihren neuesten Satz von galaktischen Aufnahmen veröffentlicht, die mit dem Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) Instrument am VLT der ESO in der Atacama-Wüste in Chile aufgenommen wurden. Sie nutzten MUSE, um neugeborene Sterne und das warme Gas um sie herum aufzuspüren, das von den Sternen beleuchtet und aufgeheizt wird und als deutlicher Hinweis auf die fortschreitende Sternentstehung dient.

NGC 4303 ist eine Spiralgalaxie mit einem Balken aus Sternen und Gas in ihrem Zentrum und befindet sich etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Virgo. Das Bild ist eine Kombination von Beobachtungen, die bei verschiedenen Wellenlängen des Lichts durchgeführt wurden, um die Sternpopulationen und das warme Gas zu kartieren.
Foto: ESO/PHANGS

Rohmaterial für den Sternenbau

Die PHANGS-Kollaboration unter der Leitung von Eva Schinnerer vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) kombiniert diese neuen Bilder mit Beobachtungen der gleichen Galaxien, die mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) aufgenommen und Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurden. ALMA, das sich ebenfalls in Chile befindet, ist besonders gut geeignet, um kalte Gaswolken zu kartieren, also diejenigen Objekte in Galaxien, die das Rohmaterial liefern, aus dem Sterne entstehen.

MUSE und ALMA ergänzen sich bei der Identifizierung und Untersuchung der Sternentstehungsgebiete im Inneren der beobachteten Galaxien. "Durch die Kombination von MUSE- und ALMA-Bildern können wir untersuchen, wie frühere Sterngenerationen den Prozess der Bildung einer neuen Sternenpopulation beeinflussen", erläutert Ismael Pessa, Doktorand am MPIA, der im PHANGS-Projekt arbeitet. "Das hilft uns, besser zu verstehen, was die Geburt neuer Sterne auslöst, verstärkt oder bremst." Die resultierenden Bilder sind beeindruckend und bieten einen farbenfrohen Einblick in stellare Kinderstuben in unseren Nachbargalaxien.

Zahlreiche offene Fragen

"Es gibt viele Rätsel, die wir entschlüsseln wollen", sagt Kathryn Kreckel von der Universität Heidelberg in Deutschland und Mitarbeiterin im PHANGS-Team. "Werden Sterne häufiger in bestimmten Regionen ihrer Wirtsgalaxien geboren? Und falls ja, warum? Und nachdem Sterne geboren wurden, wie beeinflusst ihre Entwicklung die Bildung neuer Generationen von Sternen?"

Die nahe gelegene Galaxie NGC 1300 in etwa 61 Millionen Lichtjahre Entfernung. Neu geborene Sterne befinden sich in den gelb- und golden leuchtenden Regionen.
Foto: ESO/PHANGS

Diese Fragen können die Astronomen nun dank der Fülle an MUSE- und ALMA-Daten, die das PHANGS-Team gesammelt hat, beantworten. MUSE produziert für jede einzelne Position innerhalb seines Sichtfelds Spektren – die "Strichcodes", die Astronomen scannen, um die Eigenschaften und die Charakteristik von kosmischen Objekten zu bestimmen – und liefert damit viel reichhaltigere Informationen als bisherige Instrumente. Für das PHANGS-Projekt beobachtete MUSE 30.000 Nebel aus warmem Gas und sammelte etwa 15 Millionen Spektren von verschiedenen galaktischen Regionen. Die ALMA-Beobachtungen wiederum ermöglichten es den Astronomen, etwa 100.000 kalte Gaswolken in 90 nahen Galaxien zu kartieren und so einen beispiellos detaillierten Atlas der stellaren Keimzellen im nahen Universum zu erstellen.

Scharfe Bilder von den Kreißsälen der Sterne

Neben ALMA und MUSE sind am PHANGS-Projekt auch Beobachtungen des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble beteiligt. Die verschiedenen Observatorien wurden so ausgewählt, dass das Team unsere galaktischen Nachbarn bei unterschiedlichen Wellenlängen (sichtbar, nahes Infrarot und Radio) durchleuchten kann. Jeder Wellenlängenbereich betrachtet unterschiedliche Teile der beobachteten Galaxien. Ihre Kombination erlaubt es den Forschern, die verschiedenen Stadien der Sternentstehung zu untersuchen – von der Entstehung der stellaren Geburtsstätten über den Beginn der Sternentstehung selbst bis hin zu der Frage, wie die neu geborenen Sterne schließlich ihre Brutstätten zerstören.

Video: Kosmisches Feuerwerk enthüllt neugeborene Sterne.
European Southern Observatory (ESO)

PHANGS bietet zum ersten Mal die Möglichkeit, ein solch komplettes Bild zu entwickeln, indem es Bilder aufnimmt, die scharf genug sind, um die einzelnen Wolken, Sterne und Nebel sichtbar zu machen, die die Kreißsäle der Sterne darstellen. "Die scharfen MUSE-Bilder beispielsweise zeigen den Einfluss der neu entstehenden Sterne auf das sie umgebende Material. Ein solch genauer Blick hilft uns zu verstehen, wie Sterne ihre Umgebung beeinflussen, z.B. durch Sternwinde", sagt Francesco Santoro vom MPIA. Er fügt hinzu: "Wir wollen vor allem untersuchen, wie solche Wechselwirkungen zum Kreislauf des Gases im interstellaren Medium, dem Rohmaterial der Sterne, beitragen und wie sie zukünftige Generationen von Sternen beeinflussen." (red, 17.7.2021)