Mehr als hundert Tote nach Unwettern in Deutschland. Fünf Tote und 200 Verletzte durch einen Tornado in Tschechien. Vermutlich hunderte Tote durch Temperaturen von knapp 50 Grad in Kanada. Was nach Apokalypse klingt, sind schlichtweg Folgen der Klimakrise – zum Teil direkt vor unserer Haustür.

Natürlich wurde sofort geunkt: Warme Sommer, Jahrhunderthochwasser – das gab es doch immer, das ist doch normal. Wer so argumentiert, sollte einen Blick in die Vergangenheit werfen: Hochwasser gab es natürlich auch früher, nun treten sie aber deutlich häufiger auf. Auch 2013 und 2016 waren viele Gemeinden in Deutschland überschwemmt. Hitzewellen hatten Europa in den vergangenen zehn Jahren noch öfter im Griff. Normal ist das nicht.

Hitzewellen hatten Europa in den vergangenen zehn Jahren oft im Griff.
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Während viele Mitgliedsstaaten vor diesen unmittelbaren Auswirkungen der globalen Erwärmung gekonnt die Augen verschließen, macht die EU-Kommission Tempo. Mit ihrem diese Woche präsentierten Klimaschutzplan hat sie eine klare Vorlage geboten, in welche Richtung es gehen muss. Doch der Kommissionsplan ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss – weder inhaltlich noch politisch. Das Programm muss noch von EU-Parlament und -Rat abgesegnet werden. Es ist davon auszugehen, dass sich einige Nationen querlegen werden und das Paket in Summe an Biss verliert.

Doch selbst wenn es gelingen sollte die Pläne von Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen weitgehend umzusetzen, werden die Beschlüsse noch Monate oder Jahre brauchen. Darüber hinaus sollen einige Punkte – für das Klimaziel 2030, wohlgemerkt – erst 2026 in Kraft treten. So viel Zeit gibt es schlichtweg nicht mehr.

Mobilitätsmasterplan

Ein Warten ist auch gar nicht notwendig. Die Mitgliedsstaaten können selbst vorpreschen und zeigen, dass sie das Pariser Klimaabkommen und ihre eigenen Versprechungen ernst nehmen. Nun haben sich die meisten Staaten in der EU – und auch außerhalb – zuletzt zu höheren Klimazielen aufgerafft. Diese sind notwendig, aber ohne die entsprechenden Maßnahmen der Rede nicht wert.

Hier muss sich auch Österreich selbst am Schopf packen. Mit dem am Freitag präsentierten Mobilitätsmasterplan gibt es zwar wieder eine Vorlage, der die Richtung anzeigt. Das große und wichtige Paket, das Klimaschutzgesetz, ist aber nach wie vor nicht in Sichtweite. Österreich navigiert derzeit ohne fixe Vorgaben in Richtung Nettonull. Das Klimaministerium kann noch so hochgesteckte Ziele verkünden: Solange sich nicht auch das Finanzministerium und allen voran der Kanzler selbst für das eigene Versprechen der Klimaneutralität 2040 ins Zeug legen, sind Lenore Gewesslers Vorhaben nur ein Stück Papier.

Sich ständig nur auf ein gemeinsames Voranschreiten auf EU-Ebene oder auf internationale Abkommen zu berufen ist billig. Damit schieben Regierungen, damit schiebt Sebastian Kurz, die Verantwortung für das, was gerade in Deutschland, in Tschechien und vielen anderen Teilen der Welt geschieht, nur von sich – als würden die Folgen nicht uns alle betreffen. Genauso wenig zieht das Argument, die großen Staaten müssten zuerst handeln. Denn China und die USA werden nachziehen – und liegen in vielen Belangen schon voraus.

Die Zeit fürs Warten gibt es nicht mehr. Nicht nur die Polkappen und Gletscher schmelzen davon, sondern auch der Handlungsspielraum. (Nora Laufer, 16.7.2021)