Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein dreht lieber an "kleinen Schräubchen", als im Herbst die Notbremse zu ziehen.

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Es ist in Koalitionskreisen ein Wort wie eine sanfte Drohung: Herbst. Man rechne keinesfalls damit, dass er so heftig ausfallen könnte wie im vergangenen Jahr, hört man aus der Regierung. Risikogruppen seien schließlich geimpft – also jene, die dann auch öfter ins Spital müssen und das System belasten. Oder wie es Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) formuliert: "Die Corona-Krise wird zu einem individuellen Problem." Dennoch ist ein gewisses politisches Unwohlsein spürbar: Der ausgelassene Sommer darf uns nicht noch einmal auf den Kopf fallen.

Im Gesundheitsministerium versucht man zu beruhigen. Das Desaster von Oktober und November 2020 würde sich ziemlich sicher nicht wiederholen, das geben auch die Prognosen nicht her, dafür sei der Impffortschritt bereits zu groß. Auch dass der reguläre Schulbetrieb im Herbst auf der Kippe stünde, könne man nicht sagen – ein Nebensatz von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) im ZiB 2-Interview möge zwar so interpretiert werden, aber das dürfe man "nicht überbewerten", heißt es in seinem Ressort.

Normalität auch für den Herbst

Und dennoch hat es manche Grüne in der Regierung irritiert, dass der Kanzler auf seiner New-York-Reise die Pandemie quasi für beendet erklärt hatte. Irritiert, wenn auch nicht unbedingt überrascht: Kurz verkünde halt gerne gute Nachrichten, das kenne man ja. Der grüne Juniorpartner erinnert nun hingegen daran, dass man den nicht impfbaren Teil der Bevölkerung nicht vergessen dürfe: Kinder unter zwölf Jahren vor allem, aber auch kranke Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Da grenze es doch an Zynismus, an die Eigenverantwortung zu appellieren, sagen Grüne.

Dass jetzt gehandelt werden muss, darüber ist die Koalition aber einig. Denn die Intensivstationen sollen nicht noch einmal an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, das möchte niemand. Vielmehr sehen sich die Grünen in der Pflicht, das Versprechen der Rückkehr zur Normalität auch für den Herbst zu erfüllen: "Jetzt geht es darum, an kleinen Schräubchen zu drehen, mit einer großen Wirkung in Richtung Normalität", heißt es im Gesundheitsressort.

Hoffen auf die Impf-Motivation

Am Donnerstag tagte die Corona-Herbst-Taskforce zum zweiten Mal. Sie ist besetzt mit Mitarbeitern des Kanzlers, Vizekanzlers, mit Leuten aus den geforderten Ministerien und aus den Bundesländern – im Fall kommen die Ressortchefs und -chefinnen selbst. Die Taskforce soll den Sommer begleiten und den Herbst vorbereiten, dass sie so schnell tätig werden muss, war nicht geplant.

Doch die Zahlen steigen, schon jetzt. Donnerstag, spätabends, wurden Verschärfungen verkündet, die vor allem junge Leute treffen: Den grünen Pass bekommt man ab 15. August erst nach dem Zweitstich. Und schon Mitte kommender Woche darf man in die Disco nur noch mit PCR-Test oder geimpft. Aus Regierungskreisen hört man: Natürlich sei der erhoffte Effekt, dass die Impfung dadurch verstärkt zum Anreiz wird – und dass auch beide Termine wahrgenommen werden.

Nicht alle Forderungen durchgebracht

Für die ÖVP hat die Maßnahmen Tourismusministerin Elisabeth Köstinger mitgetragen. Sie hat die Wiener Landesregierung Anfang Juli noch dafür kritisiert, strengere Regeln beizubehalten: "Es gibt keinen plausiblen Grund für diese Verschärfungen", hatte sie erklärt – mit Verweis auf die damals sehr niedrige Inzidenz. Heute heißt es aus ihrem Büro: "Wir haben immer gesagt, dass Maßnahmen gesetzt werden, wenn die Situation es erfordert. Das ist nun der Fall."

All seine Forderungen hat das Gesundheitsministerium beim Koalitionspartner allerdings nicht durchgebracht: Eigentlich wollte Mückstein auch strengere Kontrollen der Drei-G-Regel an den Staatsgrenzen, in Lokalen und im Schwimmbad. Auch eine PCR-Test-Pflicht bei der Einreise aus einem Risikogebiet konnten die Grünen nicht erwirken – aktuell reicht hier ein negativer Antigentest.

Grüne Überzeugungsarbeit

Rückblickend gibt sich das Gesundheitsministerium verständnisvoll: Strengere Bestimmungen zögen einen Rattenschwanz für Reisende nach sich, man wolle keinen "Vergeltungsmechanismus" in anderen Ländern auslösen. Für weitere Maßnahmen müsse man bei der ÖVP eben noch Überzeugungsarbeit leisten.

Die gesetzten Schritte seien jedoch bereits sehr hilfreich, sind die Grünen überzeugt. Und zwar weniger die Verschärfungen für Discos und Klubs – die hätten eher Symbolcharakter – als vielmehr die Beibehaltung der Registrierungspflicht in Lokalen. Denn aus Sicht des Gesundheitsministeriums ist das die Grundlage für ein erfolgreiches Contact-Tracing. Und das soll es wiederum ermöglichen, ein Versprechen an die Jungen zu halten: "Jetzt ist eure Zeit", hatte Mückstein im Juni angekündigt. Das soll auch so bleiben.

"Alle zufrieden"

Mit der Lösung jetzt seien "alle zufrieden", hört man aus der ÖVP. Weitere Schritte könnten freilich nicht ausgeschlossen werden. Es ist halt Pandemie, ja, immer noch. Aus Regierungskreisen hört man auch: Sollten sich im Herbst die Intensivstationen wieder füllen, wird über eine Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen erneut diskutiert werden müssen. (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 16.7.2021)