Böse Zungen könnten behaupten, das Sommerloch habe sich in Österreich während der vergangenen Wochen in eine Schlangengrube verwandelt: Gleich zwei terrarienflüchtige Pythons hat es über den Abfluss in fremde Toiletten verschlagen, im Abstand weniger Tage.

Aber nicht nur hier kann man Schlangen begegnen. Beim Wandern ist es – im Gegensatz zur Kloschüssel – nicht unwahrscheinlich, Reptilien zu erblicken, die sich auf warmen Steinen sonnen. Heimisch sind hierzulande acht Schlangenarten (weltweit gibt es etwa 4000 verschiedene Arten). Nicht alles, was sich vorbeischlängelt, ist jedoch eine Schlange: Von vielen Laien wird auch die Blindschleiche für eine solche gehalten. Bei genauem Hinschauen, freilich aus sicherer Distanz, ist es möglich, sie mit einem Blick in die Augen zu erkennen. Die Schleiche, eine beinlose Echse, kann einen nämlich anblinzeln – Schlangen aufgrund der fehlenden Augenlider nicht.

Manchmal am Wasser, im Klo eher weniger: die Ringelnatter, die man in Österreich am häufigsten antrifft.
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Am wahrscheinlichsten ist es, unter den echten Schlangen die Ringelnatter anzutreffen, die in Österreich am weitesten verbreitet ist. Sie kann locker einen Meter lang werden und hält sich sowohl am Wasser als auch in trockeneren Gebieten auf. In ihrem Stammbaum fand erst vor wenigen Jahren eine Umstrukturierung statt: Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Barrenringelnatter, die lange Zeit als Unterart galt, eigentlich eine eigenständige Art darstellt. Damit kam offiziell eine neue Schlangenart auf die heimische Liste. Daheim fühlt sich die Barrenringelnatter in Tirol und Vorarlberg.

In Gärten und Gewässern

Ungewöhnlich ist auch der Anblick einer Äskulapnatter nicht, vor allem, wenn man einen naturnahen Garten in einer Siedlung am Orts- oder Stadtrand hat. Ein Exemplar kann sich schon mal in einem Schuppen oder Bienenhaus verstecken. Mit bis zu zwei Metern Länge ist sie dabei gar nicht so unauffällig und hat sich den Artnamenzusatz "longissimus" verdient. Daneben gibt es noch die Schlingnatter, die sich vor allem in jungen Jahren von Eidechsen und anderen Schlangen ernährt, sowie die Würfelnatter, die Nixe unter den heimischen Schlangen, die sich in Gewässern tummelt und Fisch bevorzugt.

Äskulapnattern haben – wie ihre Natternverwandten – runde Pupillen. Bei den heimischen Giftschlangen hingegen, den Vipern, sind die Pupillen senkrechte Schlitze.
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Gemein ist all diesen Nattern, dass sie ungiftig sind. Als scheue Tiere ergreifen sie in der Regel auch selbst die Flucht, wenn sie einen Menschen bemerken und – für Reptilien wichtig – zuvor genug Wärme tanken konnten, um sich zügig zu verziehen.

Steigt man aber versehentlich auf sie oder versucht sogar, die durch Naturschutzgesetze geschützten Tiere einzufangen, ist es möglich, dass sie mit einem Biss reagieren. Das kann schmerzhaft sein, ist aber nicht gefährlich. Das Problematische an der Sache: Wenn man sich nicht auskennt, sind die fünf ungiftigen Arten oft nur schwer von den giftigen zu unterscheiden.

Eher im Wasser unterwegs: die Würfelnatter.
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Ein paar Merkmale können helfen, die zwei giftigen Arten zu identifizieren. Dabei handelt es sich um Vertreter aus der Familie der Vipern. Der Aufenthaltsort ist ein Indikator: Die Kreuzotter kommt durch ihr großes Verbreitungsgebiet häufiger vor, insbesondere in Bergregionen und in der Nähe von Mooren. Die Europäische Hornotter, auch Sandviper genannt, tritt nur an sehr wenigen Fundpunkten in der südlichen Steiermark und in Kärnten auf, weiter südlich – in Slowenien, Kroatien, Bosnien – ist sie häufiger. Die dritte heimische Giftschlange, die Wiesenotter, gilt mittlerweile als ausgestorben.

In den Lebensraum hineingebaut

Wie aber sehen sie aus? "Die meisten Kreuzottern haben eine Art Zickzackband, das über den Körper läuft. Ein ähnliches Band hat auch die Hornotter", sagt Andreas Maletzky, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie und freier Lektor an der Uni Salzburg. Wie so oft in der Biologie gibt es aber zahlreiche Ausnahmen: "Färbungs- und Zeichnungsvarianten sind sehr häufig, speziell bei der Kreuzotter gibt es teilweise pechschwarze Individuen, die auch bei ungiftigen Arten vorkommen." Bei der Hornotter ist ein weiteres Merkmal hervorstechend, nämlich das Schnauzenhorn.

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Die Hornotter oder Sandviper ist an ihrem Schnauzenhorn zu erkennen.
Foto: F1Online / Picturedesk / M. Schäf

Während immer wieder von häufigeren Schlangensichtungen die Rede ist, scheinen die Populationen aus Forschungsperspektive eher zurückzugehen, sagt Maletzky: "Konkrete Zahlen haben wir leider nicht, weil es keine Monitoring-Programme gibt." Die Berichte könnten ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren sein: "Einerseits werden immer mehr Einfamilienhäuser-Siedlungen in den natürlichen Lebensraum verschiedener Wildtiere hineingebaut, das betrifft auch Schlangen." Andererseits dürften durch die Corona-Krise mehr Menschen Zeit in der Natur verbringen und eher auf die Tiere aufmerksam werden.

Aktiv sind Schlangen prinzipiell in den wärmeren Monaten, von März bis Oktober, insbesondere zur Paarungszeit im Mai und Juni. Viele sind in den Morgenstunden oder nach Regen beim Aufwärmen anzutreffen. Gerade dann kann es zu Bissen kommen, sagt Maletzky: "Wenn eine Schlange noch nicht richtig aufgewärmt ist, ist sie inaktiver und kann nicht so gut flüchten, weshalb sie bei Bedrohung eher zubeißt."

Aufmerksam auf Schritt und Tritt

Daher sollte man beim Wandern besonders darauf achten, wohin man tritt, und beim Beobachten von Schlangen immer einen Sicherheitsabstand einhalten. Sogar tote Schlangen können Stunden nach ihrem Tod noch durch Muskelreflexe beißen.

Überraschenderweise handelte es sich auch im tragischen Fall des 24-Jährigen, der kürzlich von seiner unerlaubt gehaltenen Giftschlange gebissen wurde und in der Folge verstarb, den Polizeiangaben zufolge um eine heimische Art, die seltene Europäische Hornotter. Entsprechend verwundert zeigten sich Schlangenkenner ob des Todesfalls: Dass jemand am Biss dieser Schlange stirbt, noch dazu nachdem im Spital Gegengift verabreicht wurde, gilt als höchst ungewöhnlich.

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Die Kreuzotter, Österreichs häufigste Giftschlange. Manche Exemplare tragen auch ein rein schwarzes Schuppenkleid.
Foto: dpa / picturedesk / Dick Klees

Riskant ist es tendenziell für Kinder, ältere sowie kranke Menschen. In jedem Fall sollte man bei einem Giftschlangenbiss – oder wenn man sich bei der Schlangenart unsicher ist –, sofort die Rettung rufen. Die Stelle kann stark anschwellen und sich rot und blau verfärben.

Bis Hilfe kommt: Ruhe bewahren, womöglich zum nächsten Wanderweg zurückkehren und wenig bewegen, sagt der Pharmakologe Martin Hohenegger von der Med-Uni Wien: "Wenn man hektisch wird, steigt die Zirkulation an, das Gift kann sich rascher im Körper ausbreiten." Auf keinen Fall darf die Stelle abgebunden oder sogar ausgesaugt werden. Wer ruhig bleibt, kann sich das Aussehen der Schlange besser merken oder sie aus sicherer Entfernung fotografieren, was bei der Identifikation und Behandlung helfen kann. (Julia Sica, 17.7.2021)