Am Straflandesgericht Wien wird gegen den Verdächtigen verhandelt – das Foto stammt von einem anderen Prozess im Dezember 2020

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Die Nachricht von der Enthaftung des verdächtigen Tschetschenen Turpal I. hatte Anfang Mai Schockwellen durch das Justizsystem gesendet. Der Terrorverdächtige musste aus der U-Haft entlassen werden, weil diese höchstens zwei Jahre dauern darf – und innerhalb dieser Frist kein Prozessbeginn möglich war. Von einem "unfassbaren Justizskandal" hatte die FPÖ damals mit Blick auf das jihadistische Attentat im November 2020 in Wien gesprochen, auch die SPÖ äußerte heftige Kritik. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigte eine "interne Prüfung" an.

Im Juli war es nun soweit: Der Prozess gegen Turpal I. und zahlreiche weitere Angeklagte begann am Straflandesgericht Wien. Am Ende des vierten Verhandlungstages vergangenen Donnerstag wurde I. plötzlich wieder verhaftet, wie das Straflandesgericht Wien dem STANDARD bestätigte. Auslöser dafür ist offenbar ein neues Ermittlungsverfahren, das in Graz geführt wird.

Starke Beweislage

Der Angeklagte präsentierte sich vor Gericht als zurückhaltender Mann, der seine Unschuld beteuert. Laut Anklage soll er in der nordsyrischen Wüste mit schweren Waffen hantiert haben; seine junge Frau damit bedroht haben, ihre gemeinsame einjährige Tochter in die Türkei zu bringen, wenn sie nicht mit ihm nach Syrien reist. Und seinen Schwager soll er für den Jihad angeworben haben, später wurde er in Syrien getötet.

Am Donnerstag, kurz vor seiner erneuten Festnahme, hatte ein Verfassungsschützer in der Verhandlung zahlreiche belastende Beweise gegen I. präsentiert. Der hatte zuvor behauptet, er sei nur nach Syrien gereist, "um zu sehen, was dort passiert"; oder um das Grab seines Schwagers zu besuchen. Dem widersprach ein weiterer Angeklagter, ein früherer Boxer und Rechtsextremist namens Bernd T.; der zum Islam konvertiert und auch nach Syrien gereist war. Beide sollen vom bekannten Hassprediger Mirsad O., auch bekannt als "Ebu Tejma", beeinflusst worden sein.

Die Verhandlung wird am Montag fortgesetzt; über das neue Verfahren gegen I., das zu seiner Festnahme führte, waren am Wochenende keine Informationen zu erhalten. Durch die justizinterne Verzögerung hatte sich aber offenbar ein Angeklagter, gegen den schwerwiegende Beweise vorliegen, mehrere Monate auf freiem Fuß befunden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Kim Traill, Fabian Schmid, 17.7.2021)