Das Great Barrier Reef ist an vielen Stellen von Korallenbleiche betroffen.
Foto: APA/AFP/XL Catlin Seaview Survey

Egal, ob es Orte mit faszinierender Natur oder von Menschen geschaffene Plätze von hohem kulturellen Wert sind: Die UN-Organisation Unesco zeichnet mit ihrer Welterbeliste Stätten aus, die besonders schützenswert sind. Schon bald, im Jahr 1981, wurde das australische Great Barrier Reef aufgenommen. Vierzig Jahre später soll diese weltweit größte Zusammenhang von mehr als 2.900 Korallenriffen, der etwa eine Fläche von der Größe Italiens einnimmt, aber auch auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes kommen.

Dafür ist es längst an der Zeit, sagen viele Naturschutzorganisationen sowie Meeresbiologinnen und -biologen: Immer wieder wird in Studien darauf hingewiesen, welche Schäden am Riesenriff bereits zu beklagen sind. In den vergangenen 25 Jahren soll es etwa die Hälfte seiner Korallen verloren haben, was auch mit der steigenden Wassertemperatur und Korallenbleiche zusammenhängt.

Das Problem ist ein globales: 30 Prozent aller Korallenriffe sind verloren, 40 Prozent massiv bedroht, sagt der Biologe und Geograf Christian Wild von der Universität Bremen: "Der Zustand ist verheerend. Und die neuesten Studien deuten darauf hin, dass er noch schlechter wird." Neben dem Klimawandel sorgen auch Überfischung und die Verschmutzung der Meere bei den Riffen für Schwierigkeiten.

Weniger zerstörerische Ansätze

Weil auch Länder ohne Korallenriffe Teil des Problems sind, sei auch bei ihnen der Handlungsbedarf groß, sagt der Ökosystemforscher Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen: "Wir hoffen, dass die Politik reagiert und die Botschaften aufgreifen wird." Gemeinsam mit anderen Korallenriff-Fachleuten erarbeiteten die beiden Forscher anlässlich des kommende Woche virtuell stattfindenden internationalen Korallenriff-Symposiums (ICRS) ein Positionspapier mit Handlungsempfehlungen.

Bisher wurden für die Korallenriff-Aufforstung häufig Teile von intakten Korallenriffen abgeschlagen, um sie an zerstörten Riffen neu anzubringen. Durch neue Ansätze soll diese Zerstörung minimiert werden. Hierfür werden Spermien und Eizellen von Korallen, die zu den Nesseltieren zählen, eingesammelt. Die entstandenen Larven werden auf künstliche Strukturen angesetzt.

Um die farbenfrohen Unterwasser-Ökosysteme in einer Größenordnung von Tausenden Quadratkilometern zu restaurieren, seien jedoch weitere Investitionen in die Forschung notwendig. Doch die Zeit spielt dem Unterfangen nicht in die Hände: "Das kommende Jahrzehnt ist wahrscheinlich die letzte Chance für politische Entscheidungsträger, einen weltweiten Kollaps der Korallenriffe zu verhindern", sagt Wild.

Australien in der Defensive

Als dringlich und problematisch wird auch der Zustand des Great Barrier Reefs angesehen. Laut Unesco sollen sich die langfristigen Aussichten von "schlecht" zu "sehr schlecht" entwickelt haben. Dabei gehe es auch um die Qualität des Wassers rund um das Riff. Im Unesco-Entwurf wird Australien daher dazu aufgerufen, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen.

Bei dieser Entscheidung handelt es sich klarerweise um ein Politikum. Die australische Regierung hält dagegen: Die liberalkonservative Umweltministerin Sussan Ley kritisierte bereits, die Unesco habe die "herausragenden und wissenschaftsbasierten Strategien" Australiens zum Schutz des Korallenriffs nicht ausreichend bedacht. Um sie vom guten Zustand zu überzeugen, lud ihr Parteikollege Warren Entsch daher kürzlich in einem umweltlobbyistischen Schachzug 15 Botschafter zu einem Schnorchelausflug ein.

Neun dieser Diplomaten stammen aus Ländern, die bei der Sitzung des Unesco-Welterbekomitees ein Stimmrecht haben, wie die australische Nachrichtenagentur AAP berichtete. Entsch sagt, es handle sich um ein globales und kein australisches Problem, weshalb die gezielte Kritik an Australien nicht gerechtfertigt sei. "Wir hören immer nur Negatives über die vermeintlichen Probleme, aber niemand spricht über die hervorragende Arbeit", die etwa Landwirte, Viehzüchter und Tourismusbetreibende auch im eigenen Interesse leisten.

Kritik an China und der Unesco zurückgewiesen

Zuvor hat die australische Regierung bereits Spekulationen verlauten lassen, China poche aufgrund von politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern darauf, den Riffkomplex auf die Gefährdungsliste zu setzen. Dies weisen der Unesco-Sitzungspräsident, der chinesische Vizebildungsminister Tian Xuejun, und die Direktorin des Komitees, die deutsche Geografin Mechtild Rössler, zurück. Dabei handle es sich um "grundlose Anschuldigungen", "die Empfehlung basiert auf den Berichten und den Daten, die uns Australien zur Verfügung gestellt hat", sagt Xuejun.

Am kommenden Freitag soll der Vorschlag besprochen werden. Rössler betonte am Sonntag während der 44. Sitzung des Gremiums, das aktuell in der chinesischen Stadt Fuzhou und online tagt, die Idee der Liste gefährdeter Stätten sei "ein Aufruf zum Handeln", bei dem die gesamte Weltgemeinschaft zusammenarbeiten sollte. Laut dem zuständigen Unesco-Abteilungsleiter, dem chilenischen Kulturmanager Ernesto Ottone, gehe es "nicht um Bestrafung, sondern darum, wie wir das Erbe für künftige Generationen bewahren".

Wien in der Weltkulturerbe-Diskussion

Die Unesco tagt noch bis Ende Juli, auf der Besprechungs-To-do-Liste steht im Übrigen auch die historische Wiener Innenstadt: Sie steht im Gegensatz zum Great Barrier Reef seit vier Jahren auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes. Grund ist der einst geplante, mehr als 60 Meter hohe Wohnturm eines Neubaus am Heumarkt, der voraussichtlich nicht wie einst angedacht umgesetzt wird. Daneben werden etwa 40 Nominierungen für neue Kultur- und Naturwelterbestätten diskutiert, darunter wurden zwei Bewerbungen mit österreichischer Beteiligung eingereicht: das Projekt "Great Spas of Europe", das Baden bei Wien beinhaltet, sowie römische Grenzwälle wie der Donaulimes.

Auf die Rote Liste versetzt werden soll neben dem Great Barrier Reef auch etwa Venedig und seine Lagune. Entwarnung für Stätten, die bereits auf der Roten Liste stehen, soll es diesmal keine geben. Möglich ist das aber: Das weltweit zweitgrößte Barriereriff, das zum mittelamerikanischen Belize gehört, galt neun Jahre lang als gefährdet. Das lag unter anderem an der Abholzung von Mangroven. Durch verschiedene Maßnahmen, darunter das staatliche Verbot von Ölbohrungen im Meer, wurde das Naturreservat vor drei Jahren wieder von der Liste gestrichen. (sic, 18.7.2021)