Der ehemalige Leiner-Flagshipstore an der Mariahilfer Straße wird von Benkos Signa derzeit zu einem Warenhaus umgebaut.

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Frage: Um welches Geschäft geht es in der Sache überhaupt?

Antwort: Die Möbelhandelskette Kika/Leiner kam durch einen Bilanzskandal ihrer südafrikanischen Muttergesellschaft Steinhoff im Jahr 2018 immer mehr in die Bredouille. Die Insolvenz von Kika/Leiner stand im Raum, 5.000 Arbeitsplätze waren bedroht. Am 21. Juni 2018 kaufte die Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko den strauchelnden Möbelhändler, nachdem man bereits im Jänner den Leiner-Flagshipstore in der Mariahilfer Straße erworben hatte. Für das operative Geschäft zahlte man einen symbolischen Euro und versprach einen Sanierungsbeitrag von über 100 Millionen Euro, die Immobilien des Konzerns ließ man sich 490 Millionen Euro kosten.

Frage: Wie soll rund um den Deal interveniert worden sein?

Antwort: Das Wirtschaftsmagazin "Trend" schrieb bereits im Sommer 2018, dass Thomas Schmid, damals Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium, während seines Urlaubs am Berg Athos Fristenläufe im Bundesrechenzentrum (BRZ) verzögert haben soll. Chats, die für den U-Ausschuss ausgewertet wurden, zeigten vor wenigen Wochen, dass Schmid mit Verzweiflung auf diesen "Trend"-Artikel reagierte: "Ich bin tot", schrieb er einem Mitarbeiter. Nun sind weitere Nachrichten aufgetaucht, über die zuerst zackzack.at berichtete. Schmids damaliger Stellvertreter als Kabinettschef, Dietmar Schuster, gratulierte dem Generalsekretär: "Vom Berg Athos hast du die Zustellung des Insolvenzantrages von Kika/Leiner durch das BRZ gebremst! Cool!!!"

Frage: Was soll ein verzögerter Insolvenzantrag bringen?

Antwort: Sobald die Insolvenz offiziell ist, ergeben Verhandlungen um eine Übernahme des pleitegegangenen Unternehmens keinen Sinn mehr. Denn dann wird, je nachdem, ein Sanierungs- oder Konkursverfahren durchgeführt. Meistens werden Einzelteile des Unternehmens herausgelöst und "filetiert", also zum Beispiel einzelne Immobilien an besonders attraktiven Standorten verkauft. Wird ein Insolvenzantrag also verzögert, hätte der Interessent – in dem Fall die Signa – mehr Zeit, um ein besseres Angebot für das gesamte kriselnde Unternehmen zu legen.

Frage: Was hat das Bundesrechenzentrum damit zu tun?

Antwort: Fast die gesamte elektronische Kommunikation mit Behörden läuft über das BRZ, zum Beispiel auch der E-Rechtsverkehr. Es gibt einige Gerüchte über Manipulationsmöglichkeiten, zum Beispiel durch eine Überlastung von Anträgen. Das BRZ streitet das vehement ab. "Im Bundesrechenzentrum hat zu keinem Zeitpunkt eine Manipulation oder Verzögerung etwaiger Verfahren stattgefunden, noch gab es jemals einen 'Notfallplan' dazu", hieß es im Mai auf Anfrage des STANDARD. Konfrontiert mit dem neuen Chat zwischen Schuster und Schmid hieß es: "Nach neuerlicher Prüfung der Vorgänge bestätigen und bekräftigen wir unsere Stellungnahme."

Frage: Was sagen die Beteiligten?

Antwort: Thomas Schmids Anwalt Thomas Kralik nahm zu den Vorwürfen nicht Stellung. Die Signa Holding des Investors René Benko bestreitet in einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presse Agentur, Nutznießer der mutmaßlichen Aktion gewesen sein zu können. Erstens hätten die früheren Gläubiger von Kika/Leiner gar keinen Insolvenzantrag eingebracht. Zudem kenne Signa die Kommunikation zwischen Schmid und Schuster nicht, sie sei für das Unternehmen auch nicht nachvollziehbar.

Das Finanzministerium sagte im Mai: "Grundsätzlich liegen Insolvenzverfahren bei den Gerichten und das Insolvenzrecht im Justizressort. Auch der Fristenlauf für die Anmeldung einer Insolvenz liegt bei der Justiz. Jeder Gläubiger, aber auch das Unternehmen selbst, kann (bzw. unter bestimmten Umständen 'muss') Insolvenzanträge stellen. Das Finanzamt hat sich selbstverständlich an die geltenden Gesetze gehalten."

Aus dem Bundeskanzleramt hieß es: "Die vorliegenden SMS sind bereits länger bekannt, und wir können die Konversation Dritter nicht kommentieren. Immer wieder, wenn österreichische Arbeitsplätze in Gefahr geraten, wird die Politik zu Hilfe gerufen. Dort, wo man helfen kann, ist das auch selbstverständlich und auch die Verantwortung einer Bundesregierung, im Rahmen der Gesetze alles zu tun, um österreichische Arbeitsplätze zu retten."

Frage: Gibt es Beweise, wird von der Anklagebehörde ermittelt?

Antwort: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat nach Anzeigen nun eine Anfangsverdachtsprüfung eingeleitet. Von sich aus hatte sie keine Ermittlungen gestartet. Die Chats wurden im Rahmen der Auswertungen für den U-Ausschuss übermittelt, nicht als Teil des Strafakts. Die Beweislage ist momentan dürftig: Es ist nicht einmal gesichert, dass ein Insolvenzantrag eingebracht wurde: Masseverwalterin Ulla Reisch dementierte das auf Medienanfrage. Für einen Manipulationsversuch im BRZ gibt es gar keine Beweise. Die einzigen Indizien sind die erwähnten Chatnachrichten, wobei Schmid auf Schusters Gratulation zur Intervention nicht reagiert hat. Seine Verzweiflung über den "Trend"-Artikel ist als Bestätigung der Manipulation auch zu wenig. (Fabian Schmid, 19.7.2021)