Zitate aus Kresniks Salzburger "Peer Gynt" von 2003, frisch aufgetragen in "Jemand" in Bleiburg.

Valerie Logar

Johann Kresnik hätte im Vorjahr 79-jährig in Bleiburg ein neues choreografisches Theaterstück inszenieren sollen. Karlheinz Miklin, wie Kresnik Bleiburg biografisch eng verbunden, hätte wie beim aufsehenerregenden Jura-Soyfer-Projekt von 2009 mitwirken sollen. Jedoch, im Sommer 2019 sind Kresnik wie Miklin binnen Monatsfrist unerwartet verstorben. Das bereits weitgehend feststehende Produktionsteam kam statt zum Probenstart zur Trauerfeier zusammen.

Man beschloss, dramaturgisch gestützt auf Christoph Klimke als langjährigen künstlerischen Wegbegleiter Kresniks und auf die Bildkraft von Kresnik-Freund Gottfried Helnwein, eine "Hommage an Johann Kresnik" zu erarbeiten, die zugleich den 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung thematisieren und im Rahmen der Veranstaltungsreihe Carinthija 2020 stattfinden sollte. Im Frühling 2020 machte indes die Pandemie eine Realisierung unmöglich. Seit Freitag ist es jetzt aber doch so weit: Das Choreographische Zentrum Bleiburg/Pliberk präsentiert im dritten Anlauf die Produktion Jemand/Nekdo. Eine Hommage an Johann Kresnik.

Rückgriff auf "Peer Gynt"

Nicht gerade die vom Himmel fallenden Redbull-Dosen, aber sonst bis zum Pasolini-Zitat der boxenden Raben rekapitulieren Klimke, Regisseur Hannes Hametner und Choreografin Christina Comtesse reichlich Kresniks berüchtigte Salzburger Peer Gynt-Inszenierung von 2003. Der bei Ibsen überraschend auftauchende Schiffskapitän erscheint hier als NS-Offizier. Auch Helnwein hatte sichtlich wieder Freude an den Siebenmeilenstiefeln, den gesäßfreien Trikots der Trolle, den Ausflügen in die norwegische Geister- und Märchenwelt. Auf die seinerzeitigen Moosmatten verzichtete er wohl schon aus Kostengründen, dafür dominiert die Bühnenmitte ein Kriegerdenkmal aus weißem (Pörtschacher?) Marmor, das – wie in Kärnten früher üblich – eifrig gepflegt, beschmiert und geschändet wird.

Und es passt alles zusammen, die zunächst allzu kühn anmutenden Bedeutungsbögen schließen sich zum Kreis. Die Axt in der Hand erspart die Diskussion. Der wahrhaft trotzige Träumer Peer Gynt von Andreas Seifert, schon 2009 Gast in Bleiburg, wird mit Fortdauer des zweistündigen Abends immer unmittelbarer lesbar als aller Welt trotzender Bauernsohn, Antikapitalist und Indianer-Künstler Johann Kresnik und dessen Kärntner Kindheitserlebnisse immer grausamer als etwas, das eine Last für eine ganze Gemeinschaft bedeutet.

Bürgerliche Schlager

Das Stück ist der Versuch, sie aufzuheben, indem sie benannt wird. Unter Wahrheitspflicht, aber auch mit abgründigem Humor, wenn unter dem Gewicht eines Kreuzes gelitten wird, das ein Hakenkreuz ist, oder verdolmetscht wird: "Slowenisch heißt auf Deutsch: österreichisch."

An Seiferts Seite als Peers Solveig bzw. Kresniks viele Ingen trägt Friederike Pöschel den Abend entscheidend mit, was aber gerechterweise auch noch von 18 weiteren Ensemblemitgliedern gesagt werden müsste, darunter Stefan Thaler und seine vier rechten Hände, die in originellen Arrangements bürgerliche Schlager zerlegen – auch das, halt ohne Karlheinz Miklin, eine Hommage an Johann Kresnik. Wie der Titel sagt: Er war jemand (Michael Cerha, 19.7.2021)