Kevin Wimmer ist Rapids neuer Abwehrchef. "Hoffentlich bin ich viele Jahre da."

Foto: APA/red ring shots

Kevin Wimmer plagten Selbstzweifel. Er stellte sich Fragen, um doch keine Antworten zu finden. Jedenfalls hockte er bei den Spielen von Stoke City meist auf der Tribüne. Die Mannschaft hat zwar in erster Linie verloren, aber für den heute 28-Jährigen gab es trotzdem keine Chance. Ja, er hat engagiert trainiert, der neue Coach Paul Lambert hat ihm versichert, er sei auf einem guten Weg. "Er ließ mich außen vor. Ich erfuhr den Grund nicht, es war mühsam. Zuvor war ich von mir immer überzeugt, nun gab es einen Knick." Das war vor rund dreieinhalb Jahren.

Ende April 2021. Rapids Sportgeschäftsführer Zoran Barisic meldet sich bei Wimmer, man kommt ins Plaudern. Barisic wird rasch konkret. "Willst du zu uns?" Wimmer wollte, maximal eine Minute lang hat er überlegt. "Der Gedanke hat mir sofort gefallen." Und der Innenverteidiger löste den Vertrag mit Stoke, der bis 2022 galt, auf. Wohl zu beiderseitiger Erleichterung. "Ich bin kein großer Fan von Stoke, würde nie wieder dort hingehen."

Bei Rapid hat er für zwei Jahre unterschrieben. Seine Erwartungen? Seine Eindrücke? "Ein Kultklub, ein spezieller Name, Rapid steht für Tradition. Super Fans, super Stimmung." Die Mannschaft sei gut, jung, hungrig, zeige den absoluten Willen, "erfolgreich zu sein". Der Oberösterreicher Wimmer ist gekommen, um in Wien zu bleiben. Rapid tauge nicht zu einer Zwischenstation, sei kein Ort für die Durchreise. "Hoffentlich bin ich viele Jahre da, ich will durch gute Leistungen überzeugen, stelle mich in den Dienst des Vereins."

Dank an Stöger

Wimmer wuchs in Edt bei Lambach als Einzelkind auf, dort steht sein Elternhaus. Der rund 2.200 Einwohner zählende Ort hatte und hat einen Fußballklub, den FC. Der kleine Kevin schnürte dort die ersten Stoppelschuhe. Vater Wolfgang ist fußballaffin, arbeitete bei Schwanenstadt, Braunau, dem LASK und der österreichischen U21 als Tormanntrainer. Der Sohnemann begann als Stürmer ("Als Kind will man Tore machen"), beim LASK wurde er in die Defensive beordert, eine durchaus vernünftige Maßnahme. Kevin war nicht zu bremsen, debütierte Ende Juli 2011 in der Zweiten Liga. Für die Misswirtschaft konnte er nichts, die Linzer erhielten keine Lizenz.

Die Scouts des 1. FC Köln schlugen zu. Das war 2012. Ein Jahr später wurde Peter Stöger bei den Geißböcken Trainer, für Wimmer ein Segen. Köln stieg 2014 in die Bundesliga auf. "Stöger war überragend. Super Trainer, super Mensch mit einer großartigen sozialen Komponente. Er hat mir immer vertraut."

Wimmer wurde Nationalspieler, er hält (steht) bei neun Einsätzen. 2015 kaufte ihn Tottenham. "Die Premier League war ein Kindheitstraum. Und auf einmal ist er Wirklichkeit." Es lief sich gut an in London ("Tottenham war außergewöhnlich"), 2017 blechte Stock City rund 20 Millionen Euro Ablöse. Rekordtransfer, Fünfjahresvertrag. Aktuell wird Wimmers Marktwert auf eine Million geschätzt. Aktien steigen und fallen. "Das Geschäft ist schnelllebig."

Es folgte also der Knick, Wimmer war unglücklich, wurde nach Hannover verliehen. 2019 borgte ihn der belgische Erstligist Royal Excel Mouscron aus. Als der Oberösterreicher in Form kam, tauchte das Coronavirus auf, die belgische Meisterschaft wurde abgebrochen. "Die Situation war ein Wahnsinn, du warst eingesperrt, musstest dich selbst fit halten." Es folgten Geisterspiele für den deutschen Zweitligisten Karlsruhe. "Geisterspiele vermitteln das Gefühl der Bedeutungslosigkeit. Du gehst raus zum Aufwärmen, und da ist nix." Der Anruf von Barisic kam zu rechten Zeit. Und Stoke wurde Geschichte.

Familienmensch

Wimmer bezeichnet sich als "ruhigen Menschen. Ich bin kein Marktschreier." Möglicherweise sei das ein Fehler in der immer hysterischer werdenden Welt. "Manchmal ist es kein Nachteil, laut und ungut zu sein. Aber das kann und will ich nicht." Das Drumherum werde immer wichtiger, der Fußball nehme eine sonderliche Entwicklung. "Es gibt Auswüchse. Ihren neuen Haarschnitt sollen andere posten." Für Wimmer zählt ausschließlich "die Liebe zum Spiel. Es gibt nix Schöneres, als auf dem Platz zu stehen. Deshalb habe ich den Beruf gewählt. Und auf dem Platz kann ich auch laut sein." Mit einer großartigen Lebensphilosophie möchte er nicht dienen. "Familie ist alles, ohne meine Eltern wäre ich nie so weit gekommen. Ich bin ihnen dankbar, sie stehen immer hinter mir." Wimmers Motto: "Wenn sich eine Chance ergibt, nimm sie wahr."

Rapid ist nun seine Wahrheit. Trainer Didi Kühbauer ist angetan "von der absoluten Verstärkung. Er strahlt Ruhe aus, sein linker Fuß kann alles. Und auch menschlich passt es."

Wimmers Vorfreude wächst. Heute, Dienstag, kommt in der Champions-League-Quali Sparta Prag auf Besuch. "Die Stimmung wird ein Wahnsinn sein, natürlich haben wir Chancen." Am Samstag bestreitet er sein erstes Meisterschaftsspiel in Österreich, Hartberg ist zu Gast. Logischerweise sei Red Bull Salzburg Titelfavorit. "Wir wollen sie fordern." Selbstzweifel, sagt Kevin Wimmer, habe er keine. (Christian Hackl, 20.7.2021)