Zwei erwachsene Schimpansenmännchen im Loango-Nationalpark in Gabun.

Foto: LCP/Lara M. Southern

Von Schimpansen ist aggressives Verhalten aus unterschiedlichen Kontexten bekannt: innerhalb der Gruppe, um sich in der Hierarchie durchzusetzen, aber auch im Kollektiv nach außen, etwa bei der Jagd auf kleine Säugetiere oder andere Affen. Was Biologen nun im Loango-Nationalpark in Gabun beobachtet haben, kommt dennoch überraschend: Die Forscher wurden Zeugen zweier Angriffe großer Schimpansen-Gruppen auf Gorillas, bei denen zwei Gorilla-Junge getötet wurden. Noch nie zuvor seien derartige Gewaltakte zwischen diesen Spezies in freier Wildbahn dokumentiert worden, berichtet das Team im Fachblatt "Scientific Reports".

Die Wissenschafter um Simone Pika von der Universität Osnabrück und Tobias Deschner vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie erforschen im Loango-Nationalpark das Verhalten von rund 45 Schimpansen. Dabei interessieren sich die Forscher vor allem für die sozialen Beziehungen, die Interaktionen mit Nachbargruppen, das Jagdverhalten, den Werkzeuggebrauch und die Kommunikation der Tiere.

Unerwarteter Gesinnungswandel

Zu den Gorillas, die ebenfalls im Nationalpark leben, hätten die Schimpansen bislang ein recht entspanntes Verhältnis gepflegt, berichtete Pika: "Wir haben beide Arten regelmäßig friedlich in Futterbäumen beobachtet, und unsere Kollegen aus dem Kongo wurden sogar Zeugen von gemeinsamen Spielen zwischen Schimpansen und Gorillas."

Umso unerwarteter kamen die Attacken, sagte Lara Southern, Erstautorin der Studie: "Zunächst hörten wir nur Schreie der Schimpansen und dachten, wir würden eine typische Begegnung zwischen benachbarten Schimpansen-Gemeinschaften beobachten. Doch dann hörten wir Brusttrommeln, ein Imponierverhalten, das charakteristisch für Gorillas ist, und stellten fest, dass die Schimpansen auf eine Gruppe von fünf Gorillas gestoßen waren."

27 gegen fünf

In beiden im Artikel beschriebenen Begegnungen taten sich gleich 27 Schimpansen zusammen und griffen einmal eine fünfköpfige Gorillagruppe an, einmal eine siebenköpfige. Die Silberrücken und die Weibchen der Gorilla-Gruppen verteidigten sich und ihre Kinder und konnten schließlich fliehen, doch zwei Jungtiere wurden ihren Müttern entrissen und getötet. Was die aggressiven Akte ausgelöst hat, sei noch unklar, berichten die Biologen.

Den Studienautoren zufolge könnten die Tötungen entweder als Jagdverhalten oder als Konkurrenz um Nahrung interpretiert werden. "Es könnte sein, dass das Zusammenleben von Schimpansen, Gorillas und Waldelefanten im Loango-Nationalpark zu stark erhöhter Konkurrenz um Nahrung geführt hat, die sich in Extremfällen in tödlichen Konflikten zwischen den beiden Menschenaffenarten entlädt", sagte Deschner. Man stehe aber erst am Anfang, die Auswirkungen der Nahrungskonkurrenz auf die Interaktionen zwischen den beiden Menschenaffenarten zu verstehen, sagte Pika: "Unsere Studie zeigt, dass es noch sehr viel über unsere nächsten lebenden Verwandten zu erforschen und zu entdecken gibt." (dare, 19.7.2021)