Der nächste peruanische Präsident trägt Hut.

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Seine Reden hält er notfalls mit Megafon, ins Wahllokal kam er per Pferd, und seinen Strohhut setzt er selten ab. Pedro Castillo, der Landschullehrer aus der Provinz, ist wohl der ungewöhnlichste Präsident seit langem, der nun in Perus Präsidentenpalast einziehen wird. Seine Kampagne machte der für eine marxistische Partei angetretene Gewerkschafter auf der Straße.

Er wirkt authentisch, wenn er sagt: "Nie mehr Arme in einem so reichen Land." Das kommt an in einem Staat, in dem noch immer die hellhäutige Elite das Sagen hat, in dem Präsidenten turnusmäßig wegen Korruption vor Gericht landen und der nun auch die weltweit höchste Todesrate wegen des Coronavirus verzeichnet.

Versprochene Bildungsrevolution

Die Elite in der Hauptstadt Lima nahm den 51-Jährigen lange überhaupt nicht wahr. 2017 war er kurzzeitig in den Medien aufgetaucht, als er an der Spitze eines Lehrerstreiks stand. Seit dieser Zeit ist der Bleistift sein politisches Symbol. Der Staat müsse mehr Geld in Bildung und Gesundheit stecken, fordert er. Beides ist in Peru privatisiert und bietet großteils nur minderwertigen Service.

Politisch war er ein unbeschriebenes Blatt. Vor ein paar Jahren hatte er vergeblich als Bürgermeister auf einer national-liberalen Liste kandidiert. Als die Partei eines wegen Korruption angeklagten Regionalfürsten ihn für diese Wahl auf ihren Schild hob, war er nur eines von vielen kuriosen Phänomenen in einem Feld von 18 Bewerbern. Bis er in der ersten Runde vorn lag – und dann prompt zum Schreckgespenst der Mittel- und Oberschicht wurde.

Kampf den Bergbaukonzernen

Geboren als drittes von neun Kindern einer indigenen Bauernfamilie, erfuhr er von klein auf Bürgerkrieg, Diskriminierung und Not. Seine Eltern waren Analphabeten, daheim wurde nur Quechua gesprochen. In seiner Heimatprovinz Cajamarca fördern ausländische Bergbaukonzerne Gold, Kupfer und andere Edelmetalle – doch Cajamarca gehört zu den ärmsten Regionen Perus.

Er war der einzige der Familie, der studieren konnte. Das Pädagogikstudium finanzierte er als Eisverkäufer. Dann arbeitete er lange als Lehrer in Cajamarca und kam dort in Berührung mit einer Graswurzelbewegung gegen den Bergbau.

Konservative Politik

Er bezeichnet sich selbst als Demokraten, sympathisiert aber mit Kuba und anderen autoritären, sozialistischen Regimen der Region und will ein Verfassungskonvent einberufen. Seine Berater senden widersprüchliche Signale. Einer will die Bodenschätze verstaatlichen, der zweite die Autonomie der Zentralbank bewahren und höchstens Steuern für Bergbaukonzerne erhöhen.

Gesellschaftspolitisch ist der dreifache Vater, der mit einer Lehrerkollegin verheiratet ist, stockkonservativ. Homoehe, die Legalisierung von Marihuana oder Abtreibung sind für ihn indiskutabel. Straffälligen Migranten droht er mit Abschiebung, Umwelt interessiert ihn wenig. Seine Klientel stört das nicht weiter. Sie erhofft sich von ihm vor allem eines: gehört zu werden und mehr Teilhabe an Fortschritt und Reichtum. (Sandra Weiss, 20.7.2021)