Kabul – Während der offiziellen Zeremonien zum islamischen Opferfest Eid al-Adha sind in der Nähe des afghanischen Präsidentenpalasts mindestens drei Raketen eingeschlagen. Die Geschosse seien mutmaßlich von einem Kleinlaster aus abgefeuert worden, eines sei nicht detoniert, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag. Es gebe keine Berichte über Verletzte. Auch wer für den Raketeneinschlag verantwortlich ist, war zunächst unklar.

Die radikal-islamischen Taliban erklärten, sie hätten mit dem Raketenangriff auf den stark befestigten Präsidentenpalast nichts zu tun. Ein Sprecher der Extremisten sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Taliban seien während des Opferfestes im Verteidigungszustand. Auf die Frage, ob dies eine Waffenruhe bedeute, äußerte sich der Sprecher nicht. Anders als in früheren Jahren haben sich die Taliban diesmal nicht zu einer Waffenruhe während des Festes bereit erklärt.

Gebetsfortsetzung trotz Explosionen

Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten sich Präsident Ashraf Ghani und andere Gläubige außerhalb des Präsidentenpalastes zum Gebet versammelt. Live-Aufnahmen eines Fernsehsenders zeigten, wie Ghani und die meisten anderen Menschen ruhig blieben und ihre Gebete trotz der lauten Explosionen fortsetzten. "Die Taliban haben bewiesen, dass Frieden nicht ihr Wunsch oder ihre Absicht ist", sagte Ghani anschließend in einer Rede.

Der Präsidentenpalast in Kabul wurde in der Vergangenheit mehrfach mit Raketen beschossen, unter anderem im vergangenen Jahr während der Amtseinführung Ghanis im Beisein hunderter Gäste. Diesen Anschlag hatte die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) für sich reklamiert.

Taliban-Offensive

Der Angriff auf die Grüne Zone am Dienstag ereignete sich vor dem Hintergrund einer groß angelegten Taliban-Offensive in ganz Afghanistan. Parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der US- und anderer NATO-Truppen aus Afghanistan haben die Taliban in den vergangenen Monaten große Teile des Landes erobert.

Beobachter befürchten, dass die Taliban nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen wieder die Macht in Afghanistan übernehmen könnten. Bereits jetzt kontrollieren die Radikalislamisten rund die Hälfte der 400 Bezirke im Land sowie mehrere strategisch wichtige Grenzübergänge.

Am Montag hatten mehr als ein Dutzend diplomatische Vertretungen in Kabul, darunter die der USA und der EU, ein "dringendes Ende" der Taliban-Offensive gefordert. Das militärische Vorgehen der Radikalislamisten stehe in unmittelbarem Widerspruch zu deren Behauptung, auf eine politische Lösung im innerafghanischen Konflikt zu setzen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Friedensverhandlungen

Eine weitere Runde der innerafghanischen Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und Ghanis Regierung in der katarischen Hauptstadt Doha war am Wochenende ergebnislos verlaufen. In einer Erklärung beider Seiten vom Sonntag hieß es lediglich, die Gespräche sollten in der kommenden Woche fortgesetzt werden.

Gespräche mit den Taliban strebt auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan an, der am Dienstag die Bereitschaft seines Landes bekräftigte, unter bestimmten Bedingungen den Flughafen von Kabul in der Zukunft abzusichern. Die Taliban hatten diesen Vorschlag in der vergangenen Woche als "verwerflich" bezeichnet. Die Präsenz ausländischer Truppen in Afghanistan "unter welchem Vorwand auch immer" sei als "Besatzung" zu werten. (APA, 20.7.2021)

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Live-Aufnahmen eines TV-Senders zeigten, dass die Raketen während des Gebets mit dem afghanischen Präsidenten in unmittelbarer Nähe einschlugen.

Foto: via REUTERS / RTA

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Seit Wochen rücken die radikalislamischen Taliban in Afghanistan vor. Gespräche sind bislang erfolglos geblieben.

Foto: AP / Rahmat Gul