Bruchstücke des Glases werden unter flüssigem Stickstoff in eine Hülle aus Indium gepackt und in einer Presse verdichtet.

Foto: Universität Innsbruck

Wasser besteht aus zwei Flüssigkeiten. Diese These haben nun Wissenschafter der Universität Innsbruck weiter untermauert. Im Fachjournal "PNAS" berichten sie, die Existenz von zwei unterschiedlich dichten Formen von glasartigem Wasser experimentell nachgewiesen zu haben. Bereits zuvor hatten die Forscher bei tiefen Temperaturen zahlreiche Hinweise für die Existenz von zwei Formen von flüssigem Wasser gefunden.

Wasser unterscheidet sich in Dutzenden Eigenschaften von fast allen anderen Flüssigkeiten. Seine bekannteste besondere Eigenschaft ist die Dichteanomalie: Wasser hat bei Normaldruck nicht als Eis seine höchste Dichte, sondern bei vier Grad Celsius. Deshalb schwimmt Eis auf Wasser. Eine mögliche Erklärung für dieses und andere ungewöhnliche Merkmale ist, dass sich Wasser aus zwei unterschiedlich dichten Flüssigkeiten zusammensetzt. Bisher konnte das aber noch nicht zweifelsfrei experimentell nachgewiesen werden. Einen weiteren starken Hinweis für dieses Zweiflüssigkeiten-Modell lieferten nun Forscher um Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck.

Kristalline und amorphe Zustände

Wasser ist die einzige Substanz, die in der Natur im festen, flüssigen und gasförmigen Zustand angetroffen werden kann. Eis, also der feste Zustand, kommt auf der Erdoberfläche nur in einer Form vor ("Eis I"). Daneben gibt es aber zahlreiche weitere kristalline und amorphe Zustände, die sich allerdings erst unter besonderen Umständen wie hohem Druck und in verschiedenen, oft sehr niedrigen Temperaturbereichen zeigen.

Eine Unterart amorpher Feststoffe sind Gläser, die üblicherweise durch schnelles Abkühlen einer Flüssigkeit erzeugt werden. Diese erstarrt dabei, behält aber ihre ungeordnete mikroskopische Struktur bei. Lörting und sein Team haben nun erstmals experimentell gezeigt, dass Glas aus Wasser unter hohem Druck in eine andere Glasform übergeht. Die beiden Glasformen unterscheiden sich durch ihre mikroskopische Struktur und ihre Materialeigenschaften.

Abkühlung in 20 Mikrosekunden

Damit das Wasser zu Glas wird und nicht zu Eis kristallisiert, muss es extrem rasch abgekühlt werden. "Mit einer von uns in jahrelanger Arbeit entwickelten und verbesserten Apparatur gelingt es, das Wasser von ein paar Grad plus auf minus 196 Grad Celsius, also um rund 200 Grad Celsius, in nur 20 Mikrosekunden abzukühlen", erklärte Lörting. Das so hergestellte glasartige Wasser wird dann in einer vorgekühlten Hochdruckzelle Drücken von über 10.000 Atmosphären ausgesetzt. Dabei verdichtet es sich an einem Punkt schlagartig zur zweiten, bisher unbekannten Glasform. Die Analysen mit Röntgenstrahlen bestätigten die Unterschiede zwischen den beiden Formen.

Für Lörting ist dies "die erste eindeutige experimentelle Bestätigung für die Existenz von zwei Gläsern aus Wasser". Dies sei ein "sehr starker Hinweis auf das Zweiflüssigkeitsmodell, wenn nicht gar ein Beweis". Die Möglichkeit der Umwandlung von einem Glas zu einem anderen Glas wurde bereits im Vorfeld von mehreren Forschergruppen mit Computersimulationen vorgeschlagen. "Wenn wir wissen, dass Wasser aus zwei verschiedenen Flüssigkeiten besteht, kann uns das helfen, die erstaunlichen und einzigartigen Eigenschaften von Wasser zu beschreiben", sagte Lörting. (APA, red, 21.7.2021)