Medienunternehmer Niko Alm überlegt eine Bewerbung für die ORF-Generalswahl am 10. August 2021.

Foto: Nicole Heiling

Wien – Niko Alm überlegt noch, ob er eine Bewerbung für die ORF-Führung abgibt. Sicher ist der Medienunternehmer und Aktivist in seinem Befund über den Bewerbungsprozess als "unwürdiges politisches Schauspiel" und den aus seiner Sicht dringend nötigen Umbau der "überdimensionierten Infrastruktur" ORF zu einem vor allem auf Information, Wissen und Diskurs fokussierten Public-Value-Medienhaus.

Neuer Kernauftrag

Was im Bewerbungskonzept des ehemaligen Vice-Herausgebers und -Managers, Neos-Mediensprechers und Addendum-Geschäftsführers für den ORF stehen könnte, hat Alm gerade für einen ausführlichen Blogpost aufgeschrieben.

Der Kern seiner Überlegungen über den Sinn von öffentlich-rechtlichem Rundfunk im Jahr 2021: "Public Value im engeren Sinn bedeutet nichts anderes, als zu jeder Zeit die informationellen Grundlagen des demokratischen, politischen und gesellschaftlichen Diskurses bereitzustellen und als Medienbetrieb die Rolle als kontrollierende vierte Macht im Staat wahrzunehmen." Das bedeutet für Alm: "Alles, was darüber hinausgeht, ist zunächst einmal Surplus, das deswegen nicht unnötig ist, aber jedenfalls diskutabel."

Daraus leitet der Medienmanager ab, was der ORF künftig sein und tun sollte – und was eben aus seiner Sicht nicht mehr:

· Außerhalb des Auftrags "Jedenfalls außerhalb der Sphäre an Public Value, die der ORF in seinem Kernauftrag liefern soll, befinden sich zugekaufte Serien, Filme oder Sportrechte. Diese können von privaten Marktbegleitern abgedeckt werden, wenn die freien Kräfte des Marktes das ökonomisch erlauben", findet Alm. Das ORF-Argument sei obsolet, man brauche etwa massenattraktive Unterhaltung, um Publikum für Information und Wissen anzulocken.

· Plattform ORF Information, Wissen, Diskurs soll der ORF für eine zentrale digitale Plattform produzieren, die so viele Kanäle wie nötig beliefert – Onlineangebote, Radio- und Fernsehsender und Tiktok und Instagram. Auf Sicht werde der ORF aus wirtschaftlichen Gründen weniger klassische Sender bespielen, als das Gesetz heute vorsieht. Alm schreibt von "Redimensionierung auf das Notwendige" und Ausbau der Verbreitung über private Kooperationen.

· GIS als Einkommenssteuer, keine Werbung Für den so fokussierten öffentlichen Kernauftrag soll der ORF weiterhin GIS-Gebühren bekommen, auch bisher von sieben Bundesländern eingehobene Abgaben darauf. Sinnvoller wäre eine Medienabgabe auf das Einkommen statt einer Gebühr für Haushalte. Werbung – rund 200 Millionen Euro pro Jahr – würde Alm streichen.

· Landesstudios hinterfragen Der Medienmanager rät zur "Evaluierung" der ORF-Landesstudios und der hauseigenen Produktion.

· Spielraum und Entpolitisierung Der ORF und sein General müssten nachdrücklicher auf ein neues Gesetz drängen, das ihm Spielraum in der digitalen Welt verschafft, zugleich eine "faire" Finanzierung über Medienabgabe und neue, entpolitisierte Gremien.

Daraus wird wohl nichts werden, schreibt Alm in seinem Befund:

"Es bleibt zu befürchten, dass auch in der nächsten Funktionsperiode keine tiefgreifenden, aber notwendigen Transformationen mit dem klaren Ziel einer echten, strukturellen Neuaufstellung stattfinden werden. Wer Wrabetz herausfordert, müsste eigentlich, um zu reüssieren, klare Reformen skizzieren und ein visionäres Bild eines ORF für das 21. Jahrhundert zeichnen. Aber da der ganze Prozess zur Vorwahl, Wahl und Bestellung ohnehin nur ein Politikum ist, werden konzeptionelle Überlegungen, die auf eine schleichende Modernisierung mit klingenden Überschriften beschränkt sind, vollkommen ausreichend sein, um das Hearing im August zu übertauchen.

Alexander Wrabetz, der schon den ORF 1 soweit in die Farbe der neuen Kanzlerpartei getaucht hat, dass die ÖFB-Auswärtsdressen farblos wirken, hat sicher noch ein paar Asse eingesteckt, die ihm vielleicht doch eine vierte Funktionsperiode bescheren. Wenn diese nicht stechen, dann wird wohl Roland Weißmann vom 'Freund:innenkreis' schwarzer Stiftungsräte in die Position des Generaldirektors gehievt."

Schon einmal gegen Weißmann beworben

Niko Alm hat sich 2019* schon einmal für einen Job beworben, den Weißmann schließlich bekommen hat, schildert er in seinem Blogpost: 2019* schrieb der ORF die Funktion eines Geschäftsführers der ORF Onlinetochter aus, zuständig vor allem für die Streamingplattform ORF Player.

Acht Monate nach der Ausschreibung war der Favorit dann im Juni 2020 bestellt und Alm erhielt eine Absage, erinnert er sich.

Als der Vorsitzende des Stiftungsrats Ende Juni die Funktion des ORF-Generalsdirektors ausgeschrieben hat, bat er im ORF um Daten für die Erstellung eines fundierten Bewerbungskonzepts. Er bekam zur Antwort, dass er unter der falschen Mailadresse angefragt habe, hat aber auch keine richtige Adresse dafür erhalten.

Es war die schon bei der ORF.at-Ausschreibung genannte Adresse bewerbungen@orf.at. In der Ausschreibung zum ORF-General ist keine Mailadresse angegeben.

Alms Befund über den Bewerbungsprozess: "Die Ausschreibung limitiert aussichtsreiche Kandidat:innen auf solche mit intrinsischem Wissen über den ORF und parteipolitischer Zurechenbarkeit. Geeignete Medienmanager:innen bzw. Personen aus verwandten Branchen aus dem Inland werden nicht aktiv – außer durch eine Nominierung eines Stiftungsrats kurz vor dem Hearing – in den Bewerbungsprozess geholt und hüten sich generell, aktiv daran teilzunehmen. Der Prozess begünstigt gealterten Nachwuchs aus dem ORF ungemein und erschwert die Überwindung von Betriebsblindheit durch das Hereinholen internationaler Spitzenkräfte im Medienmanagement. Als Folge werden politische Abhängigkeiten von Parteien und internen Seilschaften in den Job mitgebracht." (fid, 21.7.2021)