Weil im Club getanzt und gesungen wird, dürfen ungeimpfte Genesene ab Donnerstag ohne PCR-Test nicht mehr rein.

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Es ist so etwas wie die goldene Regel, wenn es um Corona-Verordnungen geht: Eine Maßnahme, die die Regierung zur Eindämmung der Pandemie setzt, muss aus medizinischer Sicht begründbar sein. Liegt eine solche Begründung nicht vor, hebt der VfGH die Regelung auf, wenn sie angefochten wird. So geschehen schon häufig, zuletzt etwa, als der VfGH im Juni entschieden hat, dass die im Mai gültige Maskenpflicht im Handel gesetzeswidrig war. Der Gesundheitsminister hatte nicht nachvollziehbar festgehalten, warum er das für erforderlich hielt. Wohlgemerkt: Eine später angeordnete Maskenpflicht war hingegen ausreichend begründet und deshalb in Ordnung.

Nun herrschen wieder offene Fragen rund um die fachliche Begründung, nämlich bei der ab Donnerstag gültigen Regel, Genesene nicht mehr, PCR-Getestete und Geimpfte aber weiterhin in Clubs zu lassen. Heikel ist das vor allem deshalb, weil Genesene, Geimpfte und Getestete grundsätzlich rechtlich gleichgestellt sind. Ausnahmen können dann getroffen werden, wenn es dafür medizinische Gründe gibt.

Datenlage bezüglich Genesene recht dürftig

Nun verweist das Gesundheitsministerium aber in dem Zusammenhang auf eine unsichere Datenlage, was die Transmissionswahrscheinlichkeit von erneut infizierten Genesenen betrifft. Auch in der vom Gesundheitsministerium erstellten fachlichen Begründung zur Verordnung, die dem STANDARD vorliegt, ist davon die Rede. Was aus der Begründung jedoch ableitbar ist: Sollte die allgemeine Infektionslage sich verschärfen und sollten andere Bereiche ebenfalls als besonders risikobehaftet angesehen werden, könnte die Drei-G-Regel auch ein oder zwei G verlieren.

Doch warum ist momentan ein Genesener in einem Club gefährlicher als anderswo? In der fachlichen Begründung wird dazu auf die besondere Situation in Clubs hingewiesen, wo wenig Abstand, hohe Fluktuation und hohe Aerosolproduktion vorherrsche. Auch Virologin Dorothee von Laer meint dazu im Gespräch mit dem STANDARD, die Verschärfung in Clubs sei schon sinnvoll, selbst wenn man noch nicht wisse, wie gut das Genesensein vor Übertragung schütze: "Da bewegt man sich durch den Club, mischt schön die Luft und die Menschen und die Tröpfchen durcheinander", das sei der Stoff, aus dem Superspreading-Events gemacht sind. Und eben diese brauche das Virus, um sich in der Population zu halten.

Genesen und geimpft als beste Kombination

Wobei von Laer betont: Gerade für Genesene sei es wichtig, sich zumindest einen Impfstich abzuholen, damit hätten sie wahrscheinlich sogar einen noch besseren Schutz vor der Delta-Variante als doppelt Geimpfte, die kein Covid-19 hatten.

Auch Infektiologe Herwig Kollaritsch merkt an, dass derzeit niemand "genaue Prozentzahlen" darüber angeben könne, wie hoch die Transmissionswahrscheinlichkeit bei Geimpften bzw. Genesenen ist. Im Allgemeinen hätten jedoch Geimpfte einen höheren Antikörperspiegel als (ungeimpfte) Genesene. Tests können ein großes Risiko darstellen, meint Kollaritsch, der – wie auch von Laer – die Gültigkeitsdauer von 72 Stunden bei PCR-Tests als lange ansieht: "In dieser Zeit kann sich viel tun." Man müsse bei solchen Regeln jedoch immer einen Kompromiss eingehen, und der aktuelle sei momentan aus epidemiologischer Sicht zulässig. Gehen die Zahlen rauf, müsse man aber vielleicht "nachschärfen".

Gut 300 Impfdurchbrüche bekannt

Doch auch, was Geimpfte, die sich erneut infizieren, angeht, ist die Datenlage eher dürftig. Wie viele sich tatsächlich nach einer Impfung neu anstecken, ist nicht klar – diesbezügliche Daten gibt es nur, wenn diese Personen auch tatsächlich Symptome entwickeln. "Eine Infektion mit Sars-CoV-2 nach einer Covid-19-Impfung ohne erkennbare Erkrankung mit Symptomen wird derzeit nicht als Impfdurchbruch eingestuft, da die aktuell zugelassenen Covid-19-Impfstoffe zur Verhinderung von Erkrankungen entwickelt wurden"; heißt es dazu im Bericht des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen, das derartige Daten sammelt.

Bisher wurden dem BASG 314 Fälle gemeldet, bei denen die Schutzwirkung nach einer Impfung ausgeblieben ist. Davon betrafen 261 den Impfstoff von Biontech/Pfizer, 13 jenen von Moderna, 39 den von Astra Zeneca und einen den Impfstoff von Janssen. Die Daten betreffen den Zeitraum von Dezember 2020 bis zum 9. Juli 2021. In dem Zusammenhang relevant: Laut E-Impfpass wurden über sechs Millionen Dosen Biontech und etwa 1,5 Millionen Dosen Astra Zeneca verimpft, von den beiden anderen Herstellern deutlich weniger. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 21.7.2021)