Im Saal 15 des Landesgerichts Korneuburg sorgen die Corona-Maßnahmen für ein deutlich verringertes Platzangebot.

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Korneuburg – In der US-amerikanischen TV-Serie "Breaking Bad" mutiert ein Chemielehrer zum Drogenboss, im Falle der Herren Z. und R., die sich in Korneuburg vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Xenia Krapfenbauer verantworten müssen, geht es um einen Jus-Studenten und einen Angestellten, die in einem Weinkeller vom rechten Weg abkamen. Denn in dem Gewölbe in Walterskirchen (Bez. Mistelbach) wurde nicht das legale Rauschmittel Ethanol produziert, sondern die psychoaktive Substanz Mephedron.

Erstangeklagter Z. ist 30 Jahre alt, unbescholten und Sohn aus gutem Haus. Bei einem Job lernte er den Bruder des Zweitangeklagten kennen, der gelernter Chemielaborant war, gemeinsam entwickelte man den Plan, die Rauschmittel herzustellen.

"Zuerst haben wir es in meiner Wohnung probiert, es waren Experimente", erklärt der von Sarah Höfler und Arthur Machac verteidigte Erstangeklagte. Die Lernkurve war steil: "Es ist irgendwas herausgekommen. Wir haben es bei Check-it (einer niederschwelligen Einrichtung, bei der man Drogen auf die Inhaltsstoffe untersuchen lassen kann, Anm.) untersuchen lassen, die sagten, das Pulver enthält keine psychoaktiven Substanzen."

Bestellung in China, Lieferung nach Neuseeland

Z. und der mittlerweile untergetauchte Chemiker tüftelten weiter und fanden schließlich die richtige Rezeptur. Im Sommer 2020 begann das Duo, größer zu denken. Z. mietete zunächst den Weinkeller, später erwarb er ihn um 5.000 Euro. Dabei ging es nicht nur um den Platz – wegen der Dämpfe der eingesetzten Chemikalien waren in seiner Küche daheim Metallgegenstände korrodiert. Die Ausgangsstoffe wurden via Internet in China bestellt, im Darknet fand man Abnehmer in Neuseeland, denen man das fertige Produkt in Getränkedosen schickte. Aufgeflogen ist die Angelegenheit, nachdem ein Nachbar den dubiosen Keller bei der Polizei gemeldet hatte.

Angeklagt ist die Produktion von gut vier Kilogramm Mephedron, Z. sagte bei der Polizei, man habe im November und Dezember 2020 in sieben Runden jeweils 500 bis 600 Gramm Mephedron hergestellt, drei Kilo wurden nach Übersee für per Bitcoin bezahlte zwölf US-Dollar pro Gramm verkauft. "Ich habe durch dieses Projekt nie Geld erhalten", beteuert Z. aber – die Kryptowährung liege auf dem sichergestellten Mobiltelefon seines verschwundenen Kompagnons, der habe den Großteil davon ausgegeben. Auf Nachbohren der Vorsitzenden muss der Erstangeklagte aber zugeben, dass er später durchaus an den Einnahmen beteiligt werden sollte.

Pakete an leere Gemeindewohnungen geschickt

Der nicht geständige Zweitangeklagter R. soll laut Staatsanwalt am Rande an der Sache beteiligt gewesen sein. Der ebenso unbescholtene 35-Jährige arbeitet bei einer privatwirtschaftlichen Tochterfirma der Stadt Wien und hat dadurch Zugriff auf eine Liste leerstehender Gemeindewohnungen. Als ihn sein Bruder darum bat, gab er ihm einige Adressen. "Ich habe gedacht, er sucht eine", argumentiert er vor Gericht. Bei der Polizei klang das noch anders: Den Beamten erzählte er, sein wegen eines Drogendeliktes vorbestrafter Bruder habe davon gesprochen, er wolle sich Pakete an die Adressen schicken lassen. Die enthielten die Grundstoffe aus China.

Dass er durch die Weitergabe der Daten Amtsmissbrauch begangen habe, bestreitet der Zweitangeklagte. "Die Adressen der Gemeindebauten kann man auch im Internet nachschauen!", verteidigt R. sich. "Aber dort sieht man nicht, welche leer stehen, oder?", entgegnet die Vorsitzende. "Ja, aber man kann dann hinfahren und es beim Hausmeister erfragen, dass machen Kunden immer wieder." – "Der wird es einem aber vielleicht nicht sagen?" – "Wenn man ihm ein wenig Geld gibt, schon", hat R. keine sehr hohe Meinung von der Unkorrumpierbarkeit der Hausbesorger.

Gasmaske bei der Elektroreparatur

Im Sommer 2020 war der Zweitangeklagte auch im Weinkeller, um die Elektroinstallation instand zu setzen. "Warum haben Sie bei den Arbeiten eine Gasmaske getragen?", interessiert den Staatsanwalt. "Mein Bruder hat gesagt, dass es Augenreizungen im Keller gab. Warum, hat er nicht gesagt."

Als großer Bruder half R. auch bei anderer Gelegenheit: Er organisierte für ihn das Lösungsmittel Toloul, dass man auch zur Drogenherstellung einsetzen kann. "Mein Bruder hat gesagt, er hat einen finanziellen Engpass, da habe ich ihm das bestellt", argumentiert er. "Ja, aber wenn ich Lösungsmittel zur Entfernung von Lack brauche, gehe ich in den Baumarkt", plaudert Vorsitzende Krapfenbauer aus dem heimwerklichen Nähkästchen. "Haben Sie sich nicht gewundert, warum er das nicht macht, sondern Sie das bestellen müssen?" – "Für was man das braucht, wusste ich nicht. Mein Bruder ist Chemiker", sagt der Zweitangeklagte.

Der Senat glaubt ihm seine Ignoranz nicht, er und Z. kommen aber relativ glimpflich davon. Bei einem Strafrahmen von einem bis 15 Jahren wird Z. zu zwei Jahren unbedingter Haft und R. zu 18 Monaten, sechs davon unbedingt, verurteilt. Beide nehmen das Urteil an. Da der Staatsanwalt keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung jedoch nicht rechtskräftig. Vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs wird R. aber freigesprochen – denn Bau und Erhalt von Gebäuden sind juristisch gesehen keine Tätigkeiten der Hoheitsverwaltung, zitiert die Vorsitzende aus dem "Wiener Kommentar". (Michael Möseneder, 20.7.2021)