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KUNSTTURNEN: Avengers Assemble

14 Entscheidungen: 26. Juli bis 3. August

Als am 489. Tag der Schöpfung die Zeitlupe im Sport geschaffen wurde, war sicher Turnen der Anlass. Für das ungeschulte Auge ist das Spektakel an Geräten und am Boden in Echtzeit nur schwer greifbar. Umso atemberaubender und faszinierender kommt das alles aber in Zeitlupe daher. Es ist die vollendete Körperlichkeit, der Kampf mit sich selbst, den Geräten und gegen die Schwerkraft. Zuweilen wirkt es, als ob der Mensch die Physik besiegen könnte.

Es ist gut 30 Jahre her, dass mich meine Eltern bis zu fünfmal pro Woche in die Turnhalle gebracht haben. Dieses leicht muffige Kämmerlein wurde zum Zuhause, der Staub des Magnesiums flog durch die Luft, Mitturner und Trainer wurden zur Familie. Es war eine Mischung aus Angst und Stolz, wenn eine Übung gelang, tausendfache Wiederholungen, Geschrei und Lob, Tränen und Jubel. Turnen ist das ultimative Commitment zu Sport und Körper.

Und da ist noch Simone Biles, der vielleicht einzige Mensch, der reelle Chancen auf einen Platz bei den Avengers hat. Die US-Amerikanerin holte den Turnsport aus den muffigen Hallen in die Popkultur, die Videos von ihrer Übermenschlichkeit werden tausendfach bestaunt. Eine Aufmerksamkeit, die sich der Turnsport auch sonst verdient hätte. (Andreas Hagenauer)

Foto: Reuters/WASSON

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TONTAUBENSCHIESSEN: Scheiben statt Vögel, sportlicher Tierschutz

Vier Entscheidungen: 25.Juli bis 29. Juli

Es ist viel zu kompliziert, das Regelwerk zu erklären, also hilft ein Buchtipp: "Das Flintenschießen, eine praktische Schießlehre für den Flugwild-Schützen". Verfasst von Robert Churchill. Die siebente Auflage ist sehr empfehlenswert, weil neu überarbeitet. Männer und Frauen schießen mit Schrotgewehren in den Disziplinen Trap und Skeet auf Tontauben, die von Wurfmaschinen abgefeuert werden.

Das ist echt spektakulär und seit 1900 olympisch. Die Scheiben sind mit Farbpulver präpariert. Werden sie (Flash-Tauben) getroffen, was der ultimative Sinn dieses Präzisionssports ist, zerfetzt es sie bunt. Mit viel Fantasie erinnert das an einen Regenbogen.

Einfältige werden einwenden, warum nicht auf echte Tauben geschossen wird (es gibt eh so viele). Das ist aus zweierlei Gründen strikt abzulehnen. Erstens: Du sollst keine Tiere töten. Zweitens: Echte Tauben fliegen unterschiedlich schnell und hoch, das wäre wettbewerbsverzerrend. Tontauben sind immer gleich groß (Durchmesser 110 mm, Höhe 25 mm) und schwer (105 Gramm). Man kann die Bewerbe in Tokio übrigens neutral genießen, denn Österreicherinnen und Österreicher sind nicht qualifiziert. Wem das Ganze trotzdem zu aufregend ist, dem sei als Alternative die Schlussfeier am 8. August empfohlen. (Christian Hackl)

Foto: Reuters/Pinca

STABHOCHSPRUNG: Koordinationskunst mit dem Zauberstab

Zwei Entscheidungen: 3. August und 5.August

Olympia lebt von den magischen Momenten. Der Fernsehzuseher lässt sich gerne stundenlang berieseln, wohlwissend: Irgendwann kommt der Wettkampf, den man vielleicht nicht unbedingt auf der Rechnung hatte, der einen aber komplett in den Bann zieht.

2016 war das bei mir das Stabhochsprungfinale der Männer. Eigentlich hatte das Bett bereits gerufen, es war ja – Rio, Zeitverschiebung – bereits mitten in der Nacht. Aber dann lieferten sich Lokalmatador Thiago Braz da Silva und der Superstar Renaud Lavillenie ein unfassbar packendes Duell um Gold, wo es um jeden Zentimeter ging. Dass das Heimpublikum den Franzosen mit Pfiffen bedachte, war unnötig, kochte aber zusätzlich die Emotionen hoch. Am Ende siegte der Außenseiter, und ich hatte um fünf Uhr in der Früh einen unheimlichen Adrenalinschub.

Ähnliches erhoffe ich mir für Tokio, etwa von Weltrekordler (6,15 Meter Freiluft) Armand Duplantis. Bei den Frauen hält die Russin Yelena Isinbayeva die Bestmarke (5,06).

Der Laie hat die Sportart schnell durchschaut, wird sie aber wohl niemals selbst ausüben. Springen ja, aber mit Stab? Das ist schon beim Ansprinten eine Koordinationsleistung, erfordert beim Abheben Mut und ist im TV einfach faszinierend. (Andreas Gstaltmeyr)

Foto: imago images/ITAR-TASS

HOCKEY: Pure Action und das Wissen um großes Engagement

Zwei Entscheidungen: 4. August und 5. August

Das Elternhockey hab ich versucht, für mich ist es leider nichts mehr. Die Knöchel. Die Knie. Das Kreuz. So oder so hab ich in den letzten Jahren ein Naheverhältnis zum Hockeysport entwickelt, ihn schätzen gelernt. Da herrscht bei den diversen Vereinen – garantiert nicht nur beim WAC – enormes Engagement. Unzählige Trainerinnen und Trainer legen sich ins Zeug, damit unzählige Kids in Bewegung sind und Spaß daran haben. Einige kommen irgendwann in die sogenannte A-Mannschaft, manche ins Nationalteam. Österreich träumt von einer Olympiateilnahme, es fehlt nicht allzu viel, aber bis dato doch Entscheidendes.

Hockey ist Action pur, hat alles. Es geht um Schnelligkeit, Technik, Kraft, Ausdauer, Auffassungsgabe, Spielintelligenz, Mut. Auf Torleute können Bälle mit 140 km/h zukommen. Im Angriff gibt es Künstlerinnen und Künstler mit unfassbarer Auge-Hand-Koordination und Ballbehandlung, sie können allein Spiele entscheiden.

Große Hockey-Nationen sind die Niederlande, Deutschland, Belgien, Australien, Argentinien, Pakistan und Indien. Dort hat der Sport einen ganz anderen Stellenwert. Doch auch dort gibt es unzählige Trainerinnen und Trainer, die sich bei diversen Vereinen ins Zeug legen. Das hab ich im Hinterkopf – und freu mich beim Zusehen. (Fritz Neumann)

Foto: APA/AP/Hong

MODERNER FÜNFKAMPF: Mit Pferden flüstern, ohne Waffe laufen

Zwei Entscheidungen: 6. August und 7. August

Nur weil etwas modern heißt, muss das nichts Gutes bedeuten. Modern Talking zum Beispiel. Oder wenn die Familie dem Kind ein Leiberl schenkt, das wenig gefällt. "Das trägt man jetzt so", heißt es dann, "das ist modern." Danke.

Die Athletinnen und Athleten des modernen Fünfkampfs hingegen verheißen viel Gutes. Für mich sind sie die komplettesten Sportler der Olympischen Spiele. Es beginnt mit einem Sprung ins Wasser, 200 Meter Freistil. Auf das Badeoutfit folgt der Ganzkörperanzug; und Gefechte mit dem Degen, jeder gegen jeden. Anschließend bekommt man per Zufall ein Pferd zugelost. 20 Minuten bleiben Zeit, sich einander zuzuflüstern, um danach gemeinsam einen Hindernisparcours zu meistern. Zum Schluss wird der Fünfkampf zur Mogelpackung. Seit den Olympischen Spielen 2012 in London werden zwei Disziplinen in einer verpackt. Das sogenannte Combined ist ein Verfolgungsrennen, vereint einen Querfeldeinlauf mit vier Schießeinlagen. Es ist das klimasichere Biathlon. Die Laserpistole muss man aber nicht mitschleppen.

Der moderne Fünfkampf steht seit 1912 ununterbrochen auf dem Olympia-Programm, erst seit 2000 tragen auch Frauen einen aus. Gustav Gustenau ist der einzige österreichische Vertreter in dieser Disziplin. Ich wünsche ihm nur Gutes. (Lukas Zahrer)


Foto: imago/Xinhua

BAHNRADSPRINT: Wer führt, verliert, wer steht, gewinnt

Zwei Entscheidungen: 6. August und 8. August

In den kommenden zwei Wochen können Sie Ihr Vokabular erweitern. Ja, das Leben hat wesentlich mehr zu bieten als Corner, Abseits und Umschaltspiel. Es gibt auch den "Stehversuch". Moment, wo sind wir jetzt gelandet? Beim Bahnradsprint.

Ab dem 2. August geht es im Velodrome von Izu zur Sache. Auf feinster sibirischer Fichte wird um Medaillen gesprintet. Die Regeln sind einfach: Wer als Erster die Ziellinie überquert, gewinnt. Haken an der Sache: Um Erster zu werden, sollte man lange Zeit Zweiter bleiben. Sonst saugt sich der Gegner im Windschatten an und überholt auf den letzten Metern. Nicht gut. Gegenmittel? Der Stehversuch!

Beim Stehversuch kommt der Profi auf der geneigten Bahn zum völligen Stillstand. Ohne sich mit den Füßen am Boden abzustützen, balanciert er geschickt auf seinem Rad. Sinn der Übung: Dem Kontrahenten die führende Position aufzwingen. Und wie kontert der Gegner? Ebenfalls mit einem Stehversuch.

Nun sehen wir ein unterhaltsames Bild: Zwei Radfahrer stehen auf der Bahn – und es tut sich sekundenlang nichts. Man beschnuppert sich. Irgendwann schlägt einer los und zieht mit einer Geschwindigkeit von bis zu 75 Stundenkilometern Richtung Ziel. Kommt er durch, oder wird er abgefangen? Millimeter entscheiden. (Philip Bauer)

Foto: imago/Colorsport

WASSERBALL: Wer nicht kämpft, geht unter

Zwei Entscheidungen: 5. August und 6. August

Jeder kennt jemanden, der Fußball spielt, ins Fitnessstudio geht oder läuferisch unterwegs ist. Aber haben Sie einen Wasserballer in Ihrem Freundeskreis? Eben. Dann wird es Zeit, diese wunderbar schwimmende Mischung aus Handball und Rugby kennenzulernen. Und wo ginge das besser als in Tokio, wo der Bewerb im olympischen Schaufenster steht?

Wasserball ist im Alphabet die letzte Mannschaftssportart, was leider auch ihren Stellenwert im Sportkosmos symbolisiert. Dabei ist das Spiel spektakulär. "Wasserball ist oben Blume und unten Messer", sagte einmal Hagen Stamm, eine deutsche Ikone des Sports. An der Wasseroberfläche fallen dank feiner Technik Tore durch wuchtige Würfe, Lobs oder Aufsitzer. Unterhalb wird gehalten, getreten und gezwickt. Dazu sind die sieben Frauen und Männer pro Team auch ausdauernd, bei zumindest 1,80 Metern Beckentiefe lässt es sich schwer stehen. Und plötzlich schießt ein Spieler beim Torabschluss bis zum Bauchnabel aus dem Nass.

Die älteste olympische Mannschaftssportart stand bereits bei den zweiten modernen Spielen im Jahr 1900 auf dem Programm. Nasse Raufereien sind programmiert. Und letztendlich ist es im Wasserball wie auch im echten Leben. Wer nicht kämpft, geht unter. (Florian Vetter)

Foto: : imago sportfotodienst

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PARALYMPICS: Die Spiele nach den Spielen

540 Entscheidungen: 26. August bis 6. September

"Meet the Superhumans" hieß es 2012 in London, als punkto Paralympischer Spiele ein neuer Maßstab gesetzt wurde. 2,7 Millionen Zuseher kamen zu den Bewerben, im Gastgeberland zählten Paralymics-Erfolge nicht weniger als die vorhergegangenen Olympiasiege.

Rio de Janeiro 2016 war nur ein Abklatsch. Und die Gefahr, dass die Spiele für Sportlerinnen und Sportler mit körperlichem Handicap speziell während der Pandemie in Japan wieder zur reinen Pflichtübung des Veranstalters verkommen, ist groß. Dabei hat sich die Szene seit den ersten Paralympics am Olympiaschauplatz (1988 in Seoul) extrem professionalisiert. Auch bei den Paralympics ist das Dabeisein längst nicht mehr alles. "Citius, altius, fortius" ist auch hier das Motto. Ein unfreiwilliger Star der Szene, der unterschenkelamputierte deutsche Weitspringer Markus Rehm (Bild), wäre auch im olympischen Weitspringen, das er lieber wahrgenommen hätte, ein Finalanwärter.

Österreich schneidet bei Paralympics traditionell deutlich besser als bei Olympischen Spielen ab. In Rio feierte der zuständige Verband ÖPC einmal Gold sowie je viermal Silber und Bronze. In Tokio bringt das ÖPC 24 Sportlerinnen und Sportler in insgesamt acht Disziplinen an den Start – sechs Medaillen sind das Ziel. (Sigi Lützow)


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