Istanbul, 16. Juni 2016: Panzer auf der Bosporusbrücke.

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Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Bulgarien wegen der Auslieferung eines regierungskritischen Journalisten an die Türkei verurteilt. Die bulgarischen Behörden hätten den Antrag auf internationalen Schutz des 36-Jährigen nicht einmal geprüft, beklagten die Straßburger Richter am Dienstag. Dies sei ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Der Journalist, dessen Namen das Gericht in seiner Entscheidung mit "D." abkürzt, hatte den Angaben zufolge versucht, nach dem gescheiterten Putsch gegen Präsident Tayyip Erdoğan im Juli 2016 aus der Türkei zu fliehen und war an der türkisch-bulgarischen Grenze festgenommen worden. Er habe versucht einen Asylantrag zu stellen, sei jedoch wenige Tage später an die türkischen Behörden überstellt worden.

"Die Eile, mit der die Abschiebungsanordnung umgesetzt wurde (...) hatte zur Folge, dass Rechtsmittel (...) nicht verfügbar waren", stellten die Richter fest. Dem Betroffenen soll Bulgarien nun 15.000 Euro Schadenersatz zahlen.

Regierungskritische Medien

Dem EGMR zufolge hatte der Journalist für die Tageszeitung Zaman und die Nachrichtenagentur Cihan gearbeitet, die als regierungskritisch galten. Noch vor dem Putschversuch hatte die türkische Justiz das Verlagshaus der beiden Medien unter Zwangsverwaltung gestellt. Der betroffene Journalist sei daraufhin entlassen und sein Presseausweis eingezogen worden.

Nach seiner Abschiebung wurde er den Angaben zufolge wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt und befindet sich nach wie vor im Gefängnis. Die Justiz warf ihm vor, ein Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu sein, den die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht.

Der türkische Staat geht seit Jahren mit voller Härte gegen Gülen-Anhänger vor. Zehntausende wurden seither inhaftiert und 140.000 aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert. (red, APA, AFP, 20.7.2021)