Siyabonga Maqungo, Sooyeon Lee, Tamara Ivanis und Ian Spinetti (v. li.).

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So wie die Pandemie im Vorjahr den Salzburger Festspielen deren 100. Geburtstag ganz schön vermiest hat, wurde auch den Opernfestspielen auf der Babenberger-Burg in Gars am Kamp ein Jubiläum gestohlen: 30 wäre man geworden, und die Burg blieb fast still. Im 31. Jahr konnte Intendant Johannes Wildner nun aber doch wieder eine Oper aus dem Hut zaubern – wenn auch in ungewöhnlicher Form.

Gegeben wird Wolfgang Amadeus Mozarts Entführung aus dem Serail – und zwar so, wie es dem Genius und Witzbold vor dem Herren gefallen hätte: als reduziertes Kammerspiel, ohne großes Orchester und Chor, sondern mit einem eigens für Gars arrangierten Streichquintett, zu dem sich ein Akkordeon gesellt. Letzteres ist es dann auch, das dem Klangerlebnis eine zusätzliche gewitzte Note verleiht. Diese Ironisierung tut der Entführung, die von einer Gefangenenbefreiung und der üblichen Doppelliebesbeziehung im Orientpalast handelt, gut.

Spannend: Intendant Wildner spielt diesmal im wahrsten Sinne selbst die erste Geige. Und schließlich kann das 1781 von Mozart als kaiserliches Auftragswerk vertonte Singspiel als erste bedeutende Oper deutscher Zunge auch symbolisch für einen Neubeginn nach der Krise gelten. Regie, Bühnenbild und Kostüm stammt alles aus einem Kopf, nämlich aus jenem der jungen Lisa Padouvas, die auf große Regieeingriffe verzichtet, dafür aber gekonnt humoristische Spitzen setzt.

Besetzung aus vier Kontinenten

Sinnig für ein Stück, das vom Völker- und Religionsamalgam im Mittelmeerraum handelt, gelingt die Besetzung: Die Sänger haben biografische Wurzeln auf vier Kontinenten. Nach 2017 ist etwa der gefeierte Tenor Siyabonga Maqungo als Belmonte erneut zu sehen. Mit Sooyeon Lee als Konstanze harmoniert er gut. Stephan Parkyla-Raky spielt als Bassa Selim seine maskuline Reife aus, mit stolzgeschwellter, zuweilen entblößter Brust. Als krasses Gegenstück dazu erscheint Ian Spanetti in der Rolle des Pedrillo zunächst vielleicht ein bisschen zu naiv verblödelt, später aber mit gefestigter Präsenz.

Von Anfang an begeistern kann Tamara Ivanis als Blondchen, die den männlichen Übergriffen schon einmal mit der Heckenschere entgegentritt. Den überzeugendsten Auftritt liefert aber ihr Widersacher: Jacques-Greg Belobo legt seinen Osmin genau richtig an, weder als Teufel noch als Engel, sondern als sympathischen Bösewicht, wie man ihn im Happy-End-Sommertheater gerne hat. (Stefan Weiss, 21.7.2021)