Impfdurchbrüche sind äußerst selten. Und nur die allerwenigsten führen zu Spitalsaufenthalten.

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Ein neues Gerücht macht die Runde. 40 Prozent aller Patienten, die derzeit mit Covid im Krankenhaus liegen, sollen bereits doppelt geimpft worden sein. Diese Nachricht geistert derzeit durch Social Media, über diverse Plattformen und wird auch im STANDARD-Forum immer wieder geäußert. Grund genug, diesen Aussagen nachzugehen.

Ein Anruf im Wiener Gesundheitsverbund genügt, um diese Information als Fake-News zu enttarnen. Der Wiener Gesundheitsverbund umfasst acht Krankenhäuser: das Universitätsklinikum AKH sowie die Kliniken Donaustadt, Favoriten, Floridsdorf, Hietzing, Landstraße, Ottakring und Penzing. In diesen acht Häusern sind mit Stand 21. Juli insgesamt 30 an Covid-19 erkrankte Patienten und Patientinnen stationär aufgenommen (österreichweit sind es 82). Davon müssen sieben Patienten auf der Intensivstation versorgt werden (österreichweit 40).

Die aktuelle Recherche ergibt, dass unter diesen Hospitalisierten keine doppelt geimpften Personen sind. Eine Sprecherin des Gesundheitsverbunds erklärt: "Die Beobachtungen unserer medizinischen Expertinnen und Experten zeigen, dass es sehr selten ist, dass Patientinnen oder Patienten trotz vollständiger Impfung aufgrund von Covid-19 stationär aufgenommen werden müssen oder gar eine Intensivbehandlung benötigen. Meistens steht bei Personen, die trotz Vollimmunisierung stationär mit Covid-19 aufgenommen werden, eine andere Diagnose im Vordergrund. Bei multimorbiden oder immunsupprimierten Patienten könnte das zum Beispiel der Fall sein." Denn da bestehe die Möglichkeit, dass die Impfungen nicht ihre volle Wirkung erreichen können.

Impfdurchbrüche sehr selten

Ähnliches kann man auch aus den Zahlen des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) erkennen. Das führt, unter anderem, die Statistiken zu Impfdurchbrüchen, also wenn trotz Vollimmunisierung eine Corona-Erkrankung auftritt. Ein Impfdurchbruch wird dort wie folgt definiert: "Wenn nach der zweiten Dosis ein Zeitraum von sieben Tagen bzw. nach der einzigen Dosis (bei Janssen) ein Zeitraum von 28 Tagen oder mehr verstrichen ist und die betroffene Person dann auf Sars-CoV-2 positiv ist und zusätzlich Symptome wie etwa Fieber, Kurzatmigkeit, Husten, Geruchs- bzw. Geschmacksverlust hat. Eine Infektion mit Sars-CoV-2 nach einer Covid-19-Impfung ohne erkennbare Erkrankung mit Symptomen wird derzeit nicht als Impfdurchbruch eingestuft, da die aktuell zugelassenen Covid-19-Impfstoffe zur Verhinderung von Erkrankungen entwickelt wurden."

Mit Stand 9. Juli waren dem BASG 314 Fälle gemeldet worden, bei denen die Schutzwirkung laut oben genannter Definition ausgeblieben ist. 261 betreffen den Impfstoff von Biontech/Pfizer, 13 jenen von Moderna, 39 Astra Zeneca und einer Janssen. 16 Personen sind an den Folgen der Erkrankung verstorben, (15 Biontech/Pfizer und ein Moderna), vier Fälle wurden als lebensbedrohlich eingestuft und bei 28 weiteren Betroffenen wurde ein Krankenhausaufenthalt gemeldet.

Nun kann man natürlich davon ausgehen, dass die Dunkelziffer an Impfdurchbrüchen höher liegt als die 314 gemeldeten Fälle. Aber die Zahl der Hospitalisierungen entkräftet das Gerücht im Netz klar.

Falschinformation aus Großbritannien

Auch in Großbritannien gibt es ähnliche Gerüchte. In mehreren Blogs und auf Telegram wird behauptet, dass geimpfte Menschen häufiger an Delta sterben als nicht immunisierte, das würden Daten des britischen Gesundheitsministeriums zeigen. Von einem doppelt so hohen Sterberisiko spricht der "Corona-Blog", der Blog Legitim.ch schreibt, Geimpfte sterben angeblich dreimal häufiger an der Delta-Variante. Sogar ein sechsfaches Risiko wird etwa auf "Sciencefiles", "Report 24" und "Connectiv-Events" behauptet.

Was ist dran an diesen Aussagen? Die Seite "Correctiv. Recherchen für die Gesellschaft" hat sich das genauer angesehen. Und ihre Recherche zeigt: Die Behauptung, dass sich aus den Daten ein erhöhtes Sterberisiko für Geimpfte ableiten lasse, ist falsch. Denn die angestellten Vergleiche berücksichtigen das Alter der betroffenen Personen nicht, daraus werden falsche Schlussfolgerungen gezogen. Irreführende Interpretationen von Daten aus seriösen Quellen führen zu diesen Falschinterpretationen.

Hoher Schutz vor schwerem Verlauf

Mittlerweile ist auch klar, dass eine Vollimmunisierung auch bei einer Infektion mit Delta einen enorm hohen Schutz vor schweren Verläufen bietet, nämlich 95 Prozent. Das zeigen Daten aus Israel und Schottland eindeutig. Massiv geringer dagegen ist der Schutz nach nur einem Stich, sowohl bei Biontech/Pfizer als auch bei Astra Zeneca. Ein Team um den Virologen Olivier Schwartz am Pariser Pasteur-Institut hat herausgefunden, dass eine Erstimpfung nur zu zehn Prozent vor Infektion schützt. Ein Preprint der Studie wurde im Magazin "Nature" veröffentlicht. Nicht untersucht wurde allerdings, wie hoch der Schutz nach einem Stich vor schweren Verläufen ist. Die Studie hat nur die generelle Infektionsgefahr untersucht.

Was sich dagegen abzeichnet, ist, dass die Delta-Variante bei ungeimpften Personen zu tendenziell schwereren Verläufen führen kann. Das zeigt eine Studie der University of Toronto, die als Preprint vorliegt. Dafür wurden über 200.000 Fälle ausgewertet, bei denen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen herausgerechnet worden waren. Die Zahlen im Detail: Die Delta-Variante führte zu 120 Prozent mehr Hospitalisierungen, 287 Prozent mehr Einlieferungen auf Intensivstationen und 137 Prozent mehr Todesfällen als der Viruswildtyp. (Pia Kruckenhauser, 22.7.2021)