Nur wer regelmäßig nichts tut, bleibt produktiv – das geht vorzüglich in einer Hängematte.

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In der Hängematte liegen, sanft hin und her schaukeln, den Vögeln beim Zwitschern zuhören, Schwalben hoch am Himmel bei ihrem eleganten Flug beobachten, den Wolken beim Vorüberziehen zusehen. Allein schon der Gedanke daran sorgt für richtig schöne Gefühle. Zu Recht, denn das sanfte Schwingen, das Die-Gedanken-ziehen- und Die-Seele-baumeln-Lassen sorgen für ultimative Entspannung. Umso schöner, dass diesem ruhigen Abhängen sogar ein ganzer Tag gewidmet ist. Der 22. Juli nämlich, der Tag der Hängematte.

Das Gute an dieser Schaukel-Tätigkeit: Es lässt den Stress dahinschwinden. Der ist ja prinzipiell in Ordnung, er treibt uns an und kann uns sogar beflügeln. "Aber es braucht auch den Ausgleich. Der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung ist enorm wichtig", betont Günter Niederhuber, Experte für Burnout und Stressmanagement in Wien.

Stress-Regulation

Das Abschalten wird aber vor allem dann schwierig, wenn man oft und länger unter Stress steht. "Am Anfang wird vor allem Adrenalin ausgeschüttet, das gibt viel Energie. Aber nach 20, 30 Minuten kommt vermehrt Cortisol dazu. Irgendwann gibt es einen Cortisol-Überschuss, und das führt zur sogenannten Stressdemenz. Die Leistung fällt ab, man vergisst Dinge, es kommt zu körperlicher Erschöpfung", weiß Niederhuber. Wird das zum Dauerzustand, kann es gefährlich werden. Langfristig kann es die Gesundheit ruinieren und bis zum Burnout führen.

Gegen diese Cortisol-Überproduktionhilft die Entspannung. Und das kann, je nach individuellem Bedürfnis, Sport sein, Gartenarbeit wie Unkraut jäten, Meditation oder eben einfach Nichtstun und In-der-Hängematte-Schaukeln. Vor allem für jene Menschen, die viel um die Ohren haben und ständig Gas geben, ist das Abhängen wichtig. Der Kognitionswissenschafter Andrew Smart vergleicht das mit dem Bild des Autopiloten im Flugzeug: Durch diese automatische Steuerung können Piloten immer wieder Pausen einlegen, um ihre geistigen Kräfte für riskante Manöver wie Start und Landung zu schonen.

"Wenn Sie sich ausruhen und die manuelle Kontrolle über Ihr Leben aufgeben, übernimmt der innere Autopilot. Er weiß, wo Sie hinwollen und was Sie wirklich tun möchten. Man muss ihm aber auch die Möglichkeit geben, dorthin zu steuern. Das gelingt, indem man einfach einmal nichts tut", schreibt er dazu in seinem Buch "Autopilot. Warum Nichtstun so wichtig ist" (Goldmann).

Schwungvolle Kreativität

Dazu kommt, dass erst durch das Nichtstun die Kreativität in Schwung kommt. Denn zuerst einmal muss das Hirn leer werden, damit es sich wieder mit neuen Ideen füllen kann. "Gönnt man sich 15 Minuten lang Tagträumen oder einfach Nichtstun, erweitert das den eigenen Fokus, man ist wieder in der Lage, Ideen auf kreative Weise zu verknüpfen. Das ist in der Form nicht möglich, wenn man sich die ganze Zeit auf ein Problem konzentriert", erklärt Scott Barry Kaufman, wissenschaftlicher Leiter des Imagination Institute, in einem Interview mit der "Washington Post".

Das heißt aber wirklich nichts tun, auch wenn das vielen Menschen richtig schwer fällt. "Viele halten das Abhängen nicht aus, scrollen dann am Handy oder suchen sich sonst eine Ablenkung", weiß Burnout-Coach Niederhuber. "Dann brauchen sie das Nichtstun aber umso mehr. Diese Menschen haben oft so einen schnellen täglichen Rhythmus, dass sie gar nicht mehr spüren, was ihnen guttut. Am Anfang muss man es zwar wirklich üben, aber dieses geistige Loslassen ist da wirklich wichtig."

Und auch wenn das Abhängen bei manchen einen schlechten Ruf genießt, weil man dabei eben nicht produktiv ist, plädiert Niederhuber für diesen gesunden Egoismus: "Das klingt für viele seltsam, aber es ist wichtig, dass man sich diesen Raum gibt und sich selbst an die erste Stelle setzt. Denn nur, wenn es mir selbst gut geht, kann ich auch für mein Umfeld gut funktionieren." Also ab in die Hängematte! (Pia Kruckenhauser, 22.7.2021)