Die kleine Fuzo neben dem Kaiser-Josef-Platz ist wieder für Autos freigegeben ...

Foto: Alexander Danner

.... am "Kaiser" wurde das Skaten verboten ...

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... und auf der neuen Elisabethstraße ist nach der Sanierung kein Platz für einen Fahrradweg vorgesehen.

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Die Monate der Pandemie hatten den ältesten Marktplatz der steirischen Landeshauptstadt, den Kaiser-Josef-Platz nahe der Oper, völlig verändert.

Die Lokale ringsum waren geschlossen, "der Kaiser" wandelte sich nach dem morgendlichen Marktgeschehen in einen neuen Szenetreff, einen lebendigen Kommunikationsort aller Altersklassen. Auch die junge Skatercommunity entdeckte den Platz als attraktive urbane Sportarena.

Wegen der Corona-Abstandsregeln wurden einige Bauernmarktstandl in die angrenzende Straße verlegt, die für den Verkehr gesperrt wurde. An die zehn Parkplätze mussten für die bäuerlichen Nahversorger weichen. Das Areal wurde zur Fuzo – zur Fußgängerzone.

Jetzt, nachdem sich alle gewöhnt hatten, auf dem Straßenstück zu flanieren und gefahrlos zu radeln, wurde jener alte dringliche Antrag der ÖVP-FPÖ-Gemeinderatsmehrheit exekutiert, wonach die provisorische Fuzo – sobald die Corona-Regeln gelockert werden – umgehend wieder für den Autoverkehr geöffnet werden müsse. Vor einigen Tagen wurden nun auch die alten Parkplätze wieder reaktiviert. Die Marktstände mussten zurück auf den Kaiser-Josef-Platz übersiedeln.

Eine Handvoll Anrainer

Es war eine Handvoll Anrainer, darunter eine ÖVP-Gemeinderätin, die sich hier durchgesetzt hatten. Es war ihnen auch schon zuvor gelungen, die junge Skaterszene vom Platz zu vertreiben und ein Skaterverbot durchzusetzen. "Der Kaiser" ist aber nur ein exemplarisches Beispiel für die nach wie vor vom Auto dominierte Verkehrspolitik der Stadt.

So winzig können die Gassen, so unübersichtlich die Plätze gar nicht sein: Die Durchfahrt ist für Pkws in der City selbst an äußerst sensiblen Stellen zugelassen. Manche Plätze, wie den Jakominiplatz, zu Fuß oder per Rad zu queren ist tatsächlich riskant. Sogar in einer von der Stadt Graz in Auftrag gegebenen großen Befragung gibt ein Drittel der Interviewten an, sie würden gerne mit dem Rad fahren, es sei ihnen aber einfach zu gefährlich.

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), der sich im September einer Gemeinderatswahl stellen muss, könnte eigentlich recht mutig eine Politik der sanften Mobilität antreiben. Diese Verkehrsbefragung, an der 7.000 Grazerinnen und Grazer teilgenommen haben, wäre für ihn eine massive Unterstützung. Denn immerhin 93 Prozent aller Befragten stufen "den Bedarf an Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung" – vor allem mehr Radwege und Begegnungszonen – als "hoch" ein. 76 Prozent meinen sogar "sehr hoch". 48 Prozent beklagen zu wenige Radwege.

Auch Autolenker wollen radeln

Bemerkenswert ist, dass sich selbst Autofahrer und Autofahrerinnen, die auch ein Rad besitzen, mehr Tempo beim Ausbau der Radinfrastruktur wünschen. Sie würden sogar Einbahnlösungen zugunsten von Radwegen in Kauf nehmen. Eine große Mehrheit (78 Prozent) der Pkw-Benutzer würden eine Umwidmung öffentlicher Parkplätze zugunsten von Geh- und Radwegen begrüßen.

Bürgermeister Nagl sieht diese Umfrage als Bestätigung der Verkehrspolitik der Stadt, die künftig ohnehin mehr Radwege vorsehe. Aber wenn das Bekenntnis zur Verkehrsberuhigung ernst gemeint ist, wie kann es dann passieren, dass Fußgängerzonen wie auf dem Kaiser-Josef-Platz wieder rückgängig gemacht werden? Nagl lässt auf Nachfrage ausrichten: "Wie so oft würde ich mir wünschen, dass die Frage auch an die ressortzuständige Verkehrsstadträtin, die für die inhaltliche Arbeit des Straßenamts und für die Abteilung der Verkehrsplanung auch verantwortlich ist, gestellt wird." Die von Nagl angesprochene KPÖ-Stadträtin Elke Kahr verweist auf den ÖVP-FPÖ-Mehrheitsbeschluss, wonach die provisorische Fuzo auf dem "Kaiser" wieder für den Pkw-Verkehr aufgemacht werden müsse.

Kahr meint zum "Sündenfall Kaiser-Josef-Platz", sie habe "alles versucht", um daraus eine zeitgemäße Begegnungszone zu machen. Gegen die türkis-blaue Mehrheit im Rathaus sei sie aber chancenlos gewesen. Auch Grünen-Stadträtin Judith Schwentner, die sich auch gegen das Skaterverbot starkgemacht hatte, sieht sich machtlos gegen die türkis-blaue "Automehrheit" in der Stadtregierung.

Nur Absichtserklärungen

Wie weit politische Absichtserklärungen und Realpolitik bisweilen auseinanderliegen, zeigen auch zwei Straßengroßprojekte. Die Stadteinfahrt in der Münzgrabenstraße und der breite Boulevard der Elisabethstraße hinaus in den Komplex der Med-Uni werden komplett saniert. Aber ohne Radwege. Nagl verweist aber auf die allgemeine Radoffensive der Stadt und des Landes, in die bis zum Jahr 2030 100 Millionen Euro fließen sollen.

Grünen-Politikerin Schwentner ist einigermaßen sprachlos über die Mutlosigkeit der Regierungskoalition. "Wir werden die Klimawende in Graz nur dann schaffen, wenn wir alles dafür tun, das Fahrrad zum Fortbewegungsmittel Nummer eins in der Stadt zu machen", sagt sie. Die Bereitschaft in Graz, auf das Fahrrad umzusteigen, sei, wie man auch in der Umfrage sieht, "größer als die Bereitschaft der derzeit verantwortlichen Koalition. Da muss sich schleunigst etwas ändern." (Walter Müller, 22.7.2021)