Es ist so eine Sache, wenn sich ein Gerichtstermin ausgerechnet um Corona-Maßnahmen-Kritiker dreht. Im Handelsgericht Wien, wo am Donnerstag ein Prozess von sieben Proponenten aus dem maßnahmenskeptischen Umfeld gegen "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf lief, saßen zumindest am Gang bei einzelnen die Masken locker. Eine Drei-G-Regel gibt es im Gerichtsgebäude nicht. Als Corona-Leugner wollen die Gruppenmitglieder jedenfalls nicht bezeichnet werden – der Begriff fiel in einem Tweet von Wolf –, sie klagten auf Unterlassung. Die Klägergruppe fordert einen Widerruf, den Wolf 30 Tage auf seinem Twitter-Account aktiv halten sollte.

"Man könnte ja sagen, sie sind keine Corona-Leugner, sondern Maßnahmenkritiker", macht Richter Christian Mosser zu Beginn des Prozesses noch den vorsichtigen Vorschlag eines Vergleichs, "aber ich bin der Richter, ich kann das nur vorschlagen". Beide Parteien sind dagegen.

Leitmedien vs. freie Medien

Die Beweisaufnahme zieht sich, weil der Richter jeden Satz der Befragten langsam in ein Diktiergerät einspricht. Michael Brunner, als einer der Kläger anwesend und selbst Anwalt, gibt an, dass man vom offenen Brief direkt auf die Kläger und Klägerinnen schließen könne – auch wenn die nicht namentlich genannt werden. "Wir wurden nach dem Erscheinen viel auf den offenen Brief angesprochen. Von der Bevölkerung, nicht von den Medien. Denen hat der offene Brief missfallen – also den Leitmedien, nicht den freien Medien."

"Sind Sie der Meinung, dass Covid-19 existiert?", fragt der Richter abschließend. "Selbstverständlich! Es ist eine Krankheit, eine Bedrohung, die muss bekämpft werden. Alles andere wäre eine Verkennung der Realität", sagt er. Um im nächsten Atemzug gegen Masken zu lamentieren: Diese seien nicht sinnvoll, gar schädlich für die Gesundheit, PCR-Tests seien nicht in der Lage, eine Infektion nachzuweisen – beides bekannte Argumentationen aus dem maßnahmenkritischen Umfeld, die in den vergangenen Monaten ausgiebig Faktenchecks unterzogen wurden.

Wolf über den "Kurier"

Als Wolf in die Mitte des Saales kommt, stellt der Richter die naheliegende Frage, warum er ausgerechnet den Begriff "Corona-Leugner" gewählt hatte. Der geht einige Schritte zurück: Sein Tweet habe sich nicht an die Verfasser des Inserats gerichtet: "Jeder kann inserieren, was immer man möchte. Man kann inserieren, dass man auf einer Scheibe lebt oder wir von Echsenmenschen regiert werden." Ihm sei es um den "Kurier" gegangen: Der hatte Wolf kurz zuvor kritisiert, weil er den Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Interview unterbrochen hatte und nun die Meinungsfreiheit als unantastbares Gut hochhalte.

Aber: In seinem Tweet sei kein Bild des Inserats, er nenne weder die Namen der Kläger noch die Organisationen, in denen sie Mitglied sind, "nicht einmal der 'Kurier' wird genannt", sagt Wolf: "Es ist mir völlig schleierhaft, wieso diese Personen klagen." Wobei er einige Sätze später eine Vermutung abgibt: Die Kläger begehrten ja zu Beginn der Verhandlung, dass Wolf ein Bild des Inserats zu seinem Widerruf veröffentlicht – da gehe es wohl um Werbung, mutmaßt Wolf.

Außerdem sei unbedeutend, ob sich die Kläger selbst als Corona-Leugner bezeichnen würden – siehe die Duden-Definition, laut derer Corona-Leugner auch nur die Gefahr einer Pandemie leugnen können. "Alle Aktivitäten dieser drei Vereine sind darauf ausgelegt, diese Pandemie zu verharmlosen". Daher müssten sie sich der Kritik der Öffentlichkeit stellen. "Ich habe sie nicht als Covidioten bezeichnet, ich habe die sachliche Bezeichnung Corona-Leugner verwendet". Das Urteil wird in frühestens vier Wochen schriftlich ergehen.

Heftige Kritik am Inserat

Hintergrund der Klage von sechs Anwälten und Anwältinnen und einem Virologen gegen Wolf war ein ganzseitiges und umstrittenes Inserat, das im Jänner im "Kurier" erschien. Der sogenannte Außerparlamentarische Corona-Untersuchungsausschuss gemeinsam mit den "Anwälten für Aufklärung" und der "Plattform Respekt" hatte es geschaltet.

Dabei kritisierten sie nicht nur die damals geltenden Corona-Maßnahmen, sondern stellten auch generell die Sinnhaftigkeit von PCR-Tests infrage. Außerdem warnten sie vor einer Zwangsimpfung und gaben an, Masken seien gesundheitsschädlich. Der "Kurier" veröffentlichte die Anzeige, die mehrere Medien abgelehnt hatten – allerdings mit einem redaktionellen Text, der die Meinungsfreiheit thematisiert. Unter anderem die Ärztekammer kritisierte den Inhalt des Inserats: Die getätigten Aussagen seien "verantwortungslos und eine Gefährdung der Bevölkerung". (Gabriele Scherndl, 22.7.2021)