Mehr Platz im öffentlichen Raum, ohne verscheucht zu werden – das wünschen sich viele Jugendliche.

Foto: Christian Fischer

Nach eineinhalb Jahre Corona-Pandemie werden bei den meisten auch die Wünsche, wie das tägliche Leben aussehen sollte, erstaunlich bescheiden. Fragt man Jugendliche, was ihnen während der Lockdowns in den vergangenen Monaten gefehlt hat und was sie sich bei künftigen Maßnahmen wünschen, wird das besonders deutlich: klarere Kommunikation der Regeln, mehr Platz im öffentlichen Raum, Freunde treffen können – es sind sehr pragmatische Ansagen.

Stehe wieder ein Lockdown auf dem Programm, hätte er gern, dass man sich "nicht ständig verstecken muss", sagt zum Beispiel der 16-jährige Razul, und "dass man noch rausgehen darf." Während eines Lockdowns kassierte der Lehrling eine Strafe von der Polizei, während er sich draußen mit Freunden getroffen hat. Dabei habe er genau das am meisten vermisst: mit Freunden reden zu können.

Sicherheitsdiskurs

Das schildert der 16-Jährige bei einem Hintergrundgespräch des Vereins Wiener Jugendzentren, dessen Angebote er regelmäßig nutzt. Neben ihm sitzen noch sieben weitere Jugendliche, die meisten berichten von ähnlichen Problemen: Jugendzentrum und Sportplatz waren geschlossen, zu Hause war es eng, Distance-Learning anstrengend.

Aber vor allem die oftmals verwirrende Kommunikation der Regeln führte bei vielen zu großer Verunsicherung, die bis heute anhält: Während in vielen Bereichen nur laxe Schutzmaßnahmen galten – etwa in Schulen –, glaubten manche Jungen, dass sie nicht einmal die Wohnung verlassen dürften. Öffentliche Plätze wurden zu Orten der Verunsicherung. Und als diese punktuell zurückerobert wurden – wie etwa im Frühjahr rund um den Stephansplatz oder einige Monate später am Karlsplatz –, wurde die Entwicklung in erster Linie als Sicherheitsproblem diskutiert.

Verschiedene Wünsche

Der Verein Wiener Jugendzentren meint nun, der von der Regierung ausgerufene "Sommer der Jugend" werde nicht reichen, sondern es brauche Maßnahmen darüber hinaus. Denn Jugendliche seien keine jungen Erwachsenen, sondern Jugendliche – und als solche von der Pandemie besonders betroffen, sagt Geschäftsführerin Manuela Smertnik. Sie hat ein paar andere Ideen, um Jugendliche ein Stück weit zu entschädigen: einen Freizeitpass etwa, der Tickets für Kino, Prater und Bäder enthält. Oder öffentliche Verkehrsmittel für alle unter 25-Jährigen kostenlos zu machen.

Aus den Wünschen der Jugendlichen wird aber vor allem eines klar: Es geht um Sozialkontakte, Aufenthaltsräume und fehlende Mittel wie Laptops oder Internetzugang. Smertnik schlägt zum Beispiel vor, Sportplätze in Schulen und Bädern auch in Ferien beziehungsweise nach Badeschluss zugänglich zu machen. Oder W-LAN an öffentlichen Orten noch mehr auszubauen. Generell: Mehr konsumzwangfreie Orte, wo man Freizeit verbringen kann.

Alarmierende Zahlen

Was es außerdem brauche, auch aus Sicht des Wiener Psychosozialen Dienstes (PSD): mehr Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in psychosozialen Notlagen. Dass Angebot und Nachfrage nicht annähernd übereinstimmen, weiß man seit Jahren. Das hat sich nun durch die Pandemie drastisch verschärft: 55 Prozent der Schülerinnen und Schüler zeigen depressive Symptome, 16 Prozent haben suizidale Gedanken, wie eine Studie der Medizinischen Universität Wien und der Donauuniversität Krems zeigt.

Sein Leben sei nicht annähernd so, wie es vor der Pandemie war, sagt der 19-jährige Jeremy-James. Während des Lockdowns war der Lehrling in Kurzarbeit, wobei er jetzt "alles nacharbeiten" müsse. Lange hatte er keinen Kontakt zu Freunden, keinen Kontakt zur Familie mit Risikopatienten. "Wir Jugendlichen waren komplett auf uns allein gestellt." Bei einem Spaziergang mit einem Freund auf der Donauinsel habe er dann eine Strafe bekommen. "Da kriegst du psychische Probleme. Aber ich habe es irgendwie durchgeschafft", sagt er. Künftig wünsche er sich aber mehr Unterstützung. (Vanessa Gaigg, 23.7.2021)