Die FTC stellt sich vollständig hinter das "Recht auf Reparatur".

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Knapp zwei Wochen nachdem US-Präsident Joe Biden die "Executive Order on Promoting Competition in the American Economy" unterzeichnet hat, hat das darin enthaltene Paket für ein "Recht auf Reparatur" nun die nächste wichtige Hürde genommen. Die Handelskommission (FTC) hat sich hinter die Initiative gestellt. Per einstimmigen Beschluss wurde festgelegt, dass die Behörde neue Regeln erarbeiten und vollstrecken wird.

Sie sollen, so schreibt es das Weiße Haus, es "einfacher und billiger machen", Produkte im eigenen Besitz zu reparieren, indem die Möglichkeiten der Hersteller, Eigenreparaturen oder den Gang zu alternativen Reparaturdienstleistern zu verhindern eingeschränkt werden.

Traktoren und Smartphones

Als konkretes Beispiel werden zuerst Landwirtschaftsfahrzeuge genannt. Traktorhersteller haben ihre Geräte teilweise so "abgeschlossen", dass die Farmer selbst technisch keine Möglichkeiten haben, bei Defekten selbst Hand anzulegen. Mitunter schalten sie sich beim Ausfall einer Komponente komplett ab und können nur von einem "autorisierten" Techniker mit proprietärem Werkzeug wieder in Betrieb gesetzt werden. Das ermöglicht den Herstellern, die Preise für Reparaturen fast im Alleingang zu diktieren, weil sie herkömmliche Reparaturwerkstätten, die keine Verträge mit ihnen haben, aus dem Spiel nehmen.

Aber auch Smartphones, die auch immer wieder für schlechte Reparierbarkeit und Abschottungstaktiken verschiedener Hersteller kritisiert werden, werden in der Vorlage behandelt. Auch hier ist das explizite Ziel, antikompetitives Verhalten – wie die Nichtbereitstellung von Anleitungen, proprietären Werkzeugen oder Ersatzteilen – einzuschränken.

Hersteller auf den Barrikaden

Konkrete Maßnahmen stehen in der präsidialen Verordnung nicht, allerdings wurde die FTC eben damit beauftragt, solche zu erarbeiten.

"Solche Restriktionen können die Kosten für Konsumenten erheblich steigern, behindern Innovation, schotten unabhängige Reparaturanbietern von Einnahmequellen ab, erzeugen unnötigen Elektroschrott und verzögern Reparaturen", erklärte dazu FTC-Chefin Lina Khan. "Die FTC hat eine Reihe von Werkzeugen, die sie nutzen kann, um gesetzeswidrige Reparaturbeschränkungen auszumerzen, und (…) wir verpflichten uns, uns diesem Problem mit neuem Elan zu widmen."

Die Hersteller sind von dem Vorstoß allerdings nicht begeistert. Neue Regulierungen würden "unzählige Gefahren und unbeabsichtigte Konsequenzen für Konsumenten und Hersteller schaffen, die Auswahl der Konsumenten beschränken, Innovation verlangsamen, die Sicherheit und Gesundheit von Kunden bedrohen und die Tür für Produktfälschungen öffnen", ließ etwa der Branchenverband National Association of Manufacturers wissen.

Auch einzelne Unternehmen sind bekannt dafür, gegen das "Recht auf Reparatur" zu lobbyieren. Apple ist in diesem Kontext immer wieder mit Statements aufgefallen, die eigenhändige Reparatur seiner Geräte in Verbindung mit Verletzungsgefahr bringen. Tesla sah in der Vergangenheit "die Sicherheit und Cybersicherheit" der Fahrer bedroht.

Vorbildwirkung

Der Erlass ist aber zumindest indirekt auch eine Folge dessen, dass die Bewegung für bessere Reparaturmöglichkeiten in den USA in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen hat. Und das Beispiel Massachusetts zeigt, dass schon eine verbindliche Regelung in einem Bundesstaat einen Dominoeffekt haben kann.

2013 legte man gesetzlich fest, dass die Hersteller für alle Autos, die ab 2015 vom Band laufen, Informationen zu Diagnostik und Reparatur bereitstellen müssen, also beispielsweise bestimmte Baupläne oder Anleitungen für den Ersatz bestimmter Teile. Die meisten Autokonzerne bieten diese Informationen seither landesweit an, obwohl sie in 49 Bundesstaaten gar nicht dazu verpflichtet wären. In den meisten Bundesstaaten gibt es mittlerweile Gesetzesinitiativen für ein "Recht auf Reparatur". Neben Massachusetts gibt es auch noch in Indiana, Kalifornien und Rhode Island limitierte Umsetzungen eines gesetzlich verankerten Rechts auf Reparatur.

Louis Rossmann

Die Advokaten dieser Vorstöße machen auch online viel Werbung in eigener Sache. Zu den bekanntesten Gesichtern der Bewegung in den USA zählt Louis Rossmann, ein New Yorker Anbieter von Reparaturen, der sich auf Macbooks spezialisiert hat und als scharfer Kritiker der Praktiken von Apple gilt. Der Techkonzern aus Cupertino übt sehr starke Kontrolle über den technischen Aftersales-Service seiner Geräte aus und gibt nur für manche Geräte Ersatzteile in beschränktem Umfang frei. Rossmann hat sich in einem Video bereits erfreut über die Ankündigung der FTC gezeigt.

Noch vieles zu klären

Eine Vorlage für die künftigen FTC-Regeln könnte der "Fair Repair Act" werden, den der demokratische Kongressabgeordnete Joe Morelle im Juni vorgelegt hat. Der Präsidialerlass sei ein guter erster Schritt, allerdings gibt es noch einige Punkte und potenzielle Nachbesserungen, ehe der Vorstoß ein vollumfassendes Reparaturrecht garantieren kann, analysiert The Brookings Institution. Ausgenommen sind nämlich die Autoindustrie, nachdem diese von sich aus bereits Schritte gesetzt hat, und Hersteller medizinischen Equipments. Andere Branchen, etwa die Videospielindustrie, lobbyieren bereits für eigene Ausnahmeregelungen.

Zu diskutieren bleiben auch wichtige Definitionen, etwa für Ersatzteile, Preise und zeitliche Regelungen. Geklärt werden muss beispielsweise die Frage, wie lange Hersteller verpflichtet werden sollen, Unterlagen und Teile für ein Produkt bereitstellen zu müssen, wie viel Ersatzteile kosten dürfen, ob auch potenziell gefährliche Komponenten bereitgestellt werden müssen und ob das Recht auch auf sehr billige Produkte angewandt werden soll – etwa Ladekabel –, nach deren Reparatur üblicherweise seitens der Konsumenten gar nicht gefragt wird. (gpi, 22.7.2021)