Issa (Salim Daw), 60, Junggeselle, ein ruhiger, stoischer Typ, verliebt sich schwer in die verwitwete Schneiderin Siham (Hiam Abbas).

Foto: Alamode Film

Es ist immer wieder schön, Zeuge davon zu werden, wenn das Kino seinen Ruf als Traummaschine erfolgreich verteidigt. Die Regiezwillingsbrüder Arab und Tarzan Nasser zelebrieren einen herrlichen, entrückten Modus in ihrem zweiten Film Gaza Mon Amour, der palästinensischen Einreichung für die diesjährigen Oscars.

"Für uns Palästinenser sind Träume die einzige Möglichkeit, die Realität zu ertragen", sagen die Regisseure über ihren Film. Wobei dessen Stärke darin liegt, dass er nicht den Eskapismus sucht, sondern eine tragikomische Romanze inmitten von Krieg und Terror erzählt.

Unlösbarer Dauerkonflikt

Am Rande schwelt jener gefühlt unlösbare Dauerkonflikt zwischen den Israelis und Palästinensern: in Fernsehbildern, wenn Maschinengewehrsalven durch die Nacht hallen, oder in jener absurden Szene, in der die Hamas stolz vor ihren Anhängern auf einer neuen Rakete reitet. Mittendrin Issa (Salim Daw), 60, Junggeselle, ein ruhiger, stoischer Typ, der sein Leben als Fischer am Strand von Gaza bestreitet und sich schwer in die verwitwete Schneiderin Siham (Hiam Abbas) verliebt.

Eine zuckersüße Anbandelung ist das, die die Nassers mit Zurückhaltung und Ruhe und einem schwelgenden Soundtrack in Szene setzen. Da sind erste Blicke, im Regen überlässt Issa Siham seinen Regenschirm, und später lässt er eine Hose auf Hochwasserniveau kürzen, nur um eine Gelegenheit zu haben, in den Schneiderladen zu kommen.

Die Apollo-Statue, die Issa sehr zum Unmut der Sittenpolizei aus den Fluten fischt, ist ein so treffendes wie lustiges Bild: Wie ein Stachel pikst der erigierte Penis der Gottesstatue in jenes repressive System und wird zum Abbild Issas und seiner Wünsche. Eine solche Statue soll laut den Regisseuren 2014 tatsächlich von einem Fischer im Meer gefunden und von der Hamas beschlagnahmt worden sein.

Entrückt und menschlich

Die Zwillingsbrüder, die auch das Drehbuch verantwortet haben, finden in Gaza Mon Amour wunderbare Bilder für das Menschlichste der Welt und eröffnen nebenbei ein kleines Gesellschaftspanorama. Wie ist das Leben auf dieser abgeschnittenen Insel Gaza? Die Wirtschaft ist am Boden, die Angst allgegenwärtig, ein Kumpel von Issa will nach Europa fliehen, seine Schwester ihn gegen seinen Willen anderweitig verheiraten.

So abgeschmackt die Botschaft auch sein mag, dass die Liebe stärker sei als alles Böse auf Erden: In Gaza Mon Amour gießen die Nassers sie in eine entrückte und zugleich ungemein menschliche Eigeninterpretation. Ein großer kleiner Film. (Jens Balkenborg, 24.7.2021)