Im Gastkommentar kritisieren die Wissenschafterinnen und Wissenschafter Carina Altreiter, Claudius Gräbner, Stephan Pühringer, Ana Rogojanu und Georg Wolfmayr die Verwettbewerblichung der Universitäten und fordern mehr entfristete Stellen.

Mit dem Video über den Karriereplan der Biologin Hanna sorgte das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung für einen Aufschrei.
Jörg Thomsen

Die jüngsten Debatten über die Novellierung des Universitätsgesetzes, aber auch die aktuelle Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts Wien, die "Kettenvertragsregel" an Universitäten als unzulässige Diskriminierung einzustufen, haben die prekären Anstellungsverhältnisse an den österreichischen Universitäten erneut ans Licht der Öffentlichkeit geholt.

Auch in Deutschland wurde in ähnlicher Weise unter dem Hashtag #IchBinHanna und später auch #IchBinHannasChef breite Kritik an der Praxis geübt, kaum mehr unbefristete Stellen anzubieten. Auslöser hierfür war die Argumentation des deutschen Wissenschaftsministeriums, dass nur befristete Anstellungen die Innovationskraft der Universität sichern könnten und so "jungen" Forscherinnen und Forschern zudem der Anreiz gegeben werde, sich ausreichend früh um eine "Anschlussverwertung" in der Privatwirtschaft zu bemühen, um damit nicht das System für den noch jüngeren Nachwuchs zu "verstopfen" – ein Argument, das in ähnlicher Weise an dieser Stelle auch im Gastkommentar von Michael Lang, dem Vizerektor der WU Wien, gebracht wurde (siehe "Eine Frage der Generationengerechtigkeit").

Braindrain

Die Novellierung des Universitätsgesetzes hat die Praxis der Aneinanderreihung von befristeten Verträgen nochmals drastisch eingeschränkt. Konkret wird mit der Novelle die erlaubte Befristung der Anstellungsverhältnisse von Forscherinnen und Forschern auf maximal acht Jahre beschränkt, danach sollten sie von ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine unbefristete Stelle angeboten bekommen. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Universitäten in nur wenigen Fällen unbefristete Stellen anbieten wollen oder können. Das Ministerium schiebt die Verantwortung dabei den Universitäten zu, allerdings ohne diesen auch zusätzliche monetäre Mittel bereitzustellen; vielmehr werden sie aufgefordert, "entprekarisierende" Karrieremodelle zu "entwickeln".

Die Leidtragenden sind vor allem hochqualifizierte Nachwuchswissenschafterinnen und -wissenschafter, für die diese Regulierung nun einem faktischen Berufsverbot nach dem Ablauf der acht Jahre gleichkommt. Der österreichischen Forschungslandschaft gehen auf diese Weise viele motivierte und hochqualifizierte Menschen verloren, die dem Wissenschaftssystem oder Österreich überhaupt den Rücken kehren (müssen).

Verstärkter Wettbewerbsdruck

Was ist aber der Grund für die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen im Wissenschaftsbereich? Oft wird die Befristung von Verträgen mit Flexibilität und Innovationskraft begründet. Dabei wird implizit unterstellt, dass Innovation und Produktivität über die Erhöhung des Konkurrenzdrucks durch den internen Wettbewerb um unbefristete Stellen erzielt werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist man in Österreich schon mit der UG-Novelle 2002 dazu übergegangen, Globalbudgets der Universitäten zu kürzen und enger an Leistungskriterien zu knüpfen. Damit hat insbesondere das wettbewerblich organisierte Einwerben von Drittmitteln massiv an Bedeutung gewonnen und eine Ökonomisierung und Verwettbewerblichung der Universitäten begonnen, die auf der Logik basieren, man könne über Unsicherheit für die Beschäftigten und prekären Stellenwettbewerb die akademische Leistungsfähigkeit erhöhen. Im Umkehrschluss wird implizit unterstellt, dass Entfristungen genau jene Leistungsfähigkeit und Innovationskraft hemmen würden, die im internationalen Wissenschaftswettbewerb gefordert sei.

Ein Strohmann-Argument

Aus Perspektive der kritischen Wettbewerbsforschung zeigen sich in dieser Argumentation drei Fehlschlüsse mit weitreichenden Implikationen für die österreichische Wissenschaftslandschaft.

Erstens wird die Unterstellung, dass Innovation nur durch Zwang entstehen könne, in der wirtschaftlichen Praxis klar widerlegt. Welche Unternehmenschefin würde es ernsthaft in Erwägung ziehen, alle fünf Jahre ihre gesamte Belegschaft auszuwechseln, um Innovation zu sichern?

Zweitens ist die Unterstellung mangelnder Innovationskraft von entfristeten Forscherinnen und Forschern oft ein Strohmann-Argument. Schließlich fordert niemand die Entfristung aller Forscherinnen und Forscher, und es ist klar, dass Entfristete evaluiert und in letzter Konsequenz auch gekündigt werden können müssen.

Bedenklicher Spitzenplatz

Drittens zeigt insbesondere der internationale Vergleich mit Staaten wie etwa den Niederlanden, Schweden, aber auch den USA, die allesamt wesentlich höhere Anteile an unbefristeten Forscherinnen und Forschern aufweisen, dass existenzielle Bedrohung in Form von prekären Arbeitsverhältnissen nicht notwendigerweise zu höherer wissenschaftlicher Innovationskraft und Leistungsbereitschaft führt.

Gerade dieser internationale Vergleich mit führenden Wissenschaftsnationen legt nahe, dass der österreichische – und deutsche – Weg weniger sachlich, sondern vor allem ideologisch motiviert ist. Ein fundamentales Umdenken ist dringlicher denn je. (C. Altreiter, C. Gräbner, S. Pühringer, A. Rogojanu, G. Wolfmayr, 23.7.2021)