Landeshauptmann Günther Platter und HG-Pharma-Chef Ralf Herwig bei der Präsentation des vermeintlichen Lab Truck im September 2020.

Foto: APA/ Land Tirol/ G. Berger

Innsbruck – Die Vergabe der lukrativen PCR-Test-Aufträge in Tirol bleibt undurchsichtig und wirft Fragen auf. Vor allem, da aktuell offenbar noch immer Befunde von der eigentlich nicht mehr damit beauftragten HG Lab Truck ausgestellt werden. Dem STANDARD liegt ein positiver PCR-Test vom 20. Juli 2021 aus Osttirol vor. Ausgestellt wurde der Befund von der HG Lab Truck, unterzeichnet und "medizinisch validiert" hat ihn ein Wiener Orthopäde und Unfallchirurg. Die betroffene Person wurde offiziell durch die Behörden zum PCR-Test aufgerufen. Eigentlich wäre aber die Virologie der Med-Uni Innsbruck für die PCR-Tests in Osttirol zuständig.

Kurz zurück zum Beginn des Tiroler PCR-Testskandals: Nach einer Landtagsanfrage der Liste Fritz im Frühjahr dieses Jahres haben Recherchen des STANDARD und des ORF Tirol aufgedeckt, dass mit der HG Lab Truck ein Unternehmen den Zuschlag für den bislang größten derartigen Auftrag erhalten hatte, das mutmaßlich nicht die fachlichen Voraussetzungen dafür erfüllt hat. Mehr als zwölf Millionen Euro bezahlte das Land dem Unternehmen bisher. Wobei unklar ist, wohin das Geld floss, denn die offiziell als Partner genannten Firmen der HG Lab Truck, die für Gerätschaften und IT zuständig waren – also das Herzstück der Unternehmung – hatten die Zusammenarbeit längst aufgekündigt, weil sie nicht bezahlt wurden.

Wer hat rund 300.000 PCR-Tests befundet?

Unklar ist zudem, wer im Namen der HG Lab Truck die rund 300.000 PCR-Tests, die die Firma seit September 2020 in Tirol durchgeführt hat, befundet hat. Seit Wochen stellt DER STANDARD immer wieder diese Frage. Doch das Land Tirol gibt dazu keine Auskunft. Bisherige Recherchen legen den Schluss nahe, dass der vormalige Geschäftsführer der HG Lab Truck, der Urologe Ralf Herwig, selbst die Befundungen vorgenommen haben könnte. Doch er hat aktuell gar keine Zulassung als Arzt.

Im Juni zog man beim Land Tirol die Reißleine und hat die PCR-Tests mit 1. Juli 2020 neu ausgeschrieben. Die HG Lab Truck hatte den Zuschlag für ihren Millionenauftrag noch ohne Ausschreibung erhalten, obwohl dies eigentlich Pflicht gewesen wäre, wie die Opposition kritisiert. Auch zu Fragen, wer diesen Deal seitens des Landes abgesegnet hat, gibt es bislang keine Auskunft. Die Verträge wurden zwar nach wochenlangem medialem Druck veröffentlicht, die entsprechenden Passagen, die dazu hätten Auskunft geben können, wurden vorher allerdings geschwärzt.

Neue Ausschreibung, alte Player

Mittlerweile wurde die Neuausschreibung entschieden. Tirol wurde in vier Lose aufgeteilt. Insgesamt kamen drei Bieter zum Zug. Es soll um einen Gesamt-Auftragswert von bis zu 38 Millionen Euro gehen. Und wieder ist die HG Lab Truck offenbar durch die Hintertüre mit dabei. Und zwar durch die Firma Novatium. Dieses Unternehmen wurde im April 2021 gegründet, vom damaligen Sprecher der HG Pharma (die 100-Prozent-Eigentümerin der HG Lab Truck), Kemal Cakar. Diese Novatium ist nunmehr Partner der Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung von Dorothee von Laer.

Von Laer sagt, Novatium habe nichts mit der HG Lab Truck zu tun. Das sei von der Med-Uni und ihren Anwälten "auf Herz und Nieren" geprüft worden. Die Virologin erklärte, dass Novatium nur eine "Auffanggesellschaft" für Mitarbeiter und Gerätschaften der HG Lab Truck sei. Recherchen des STANDARD und ORF Tirol legen jedoch nahe, dass im Hintergrund weiter dieselben Personen die Fäden ziehen könnten wie schon bei der HG Lab Truck. Anfragen beim Unternehmen blieben bislang unbeantwortet und werden hier nachgereicht, sobald sie eintreffen.

Med-Uni spricht von "bedauerlichem Druckfehler"

Dieser Verdacht wird nun durch den erwähnten positiven PCR-Test-Befund bekräftigt, der dem STANDARD und ORF Tirol zugespielt wurde. Dazu erklärt die eigentlich für das Gebiet Osttirol zuständige Med-Uni Innsbruck: "Im Auftrag des Landes führt das Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck PCR-Tests in Osttirol in Zusammenarbeit mit der Firma Novatium durch. Die Firma Novatium führt dabei die Erstauswertungen durch, nachdem diese über die notwendige Infrastruktur verfügt. Alle spezielleren Untersuchungen, wie beispielsweise die Variantenanalyse, sowie die Qualitätssicherung erfolgen jedoch am und über das Institut für Virologie in Innsbruck."

Novatium habe die Infrastruktur wie Geräte und Software der HG Lab Truck übernommen. Im Zuge der technischen Umstellung sei es nun "bedauerlicherweise zu einem Druckfehler gekommen", im Befund hätte statt HG Lab Truck die Firma Novatium aufscheinen müssen sowie der Zusatz, dass von Laer die fachärztliche Leitung innehabe, so die Erklärung der Med-Uni.

Zur Zusammenarbeit mit Novatium im Zuge der Neuausschreibung heißt es von der Universität: Die Medizinische Universität Innsbruck hat sich an der Ausschreibung für die PCR-Testungen in Tirol gemeinsam mit der Firma Novatium beteiligt. Das Institut für Virologie unter der Leitung von Dorothee von Laer bringt seine fachliche Expertise ein, um einen Beitrag zur Qualitätssicherung der PCR-Tests in Tirol zu leisten und um weitere Studien zur Aufklärung von Sars-CoV2 zu ermöglichen. "Als größte medizinische Forschungseinrichtung in Westösterreich haben wir in der Pandemiebekämpfung, gemeinsam mit unseren Partnern, eine zentrale Rolle inne. Es ist uns ein großes Anliegen, unsere Expertise zum Wohle der Bevölkerung einzubringen. Die Spezialanalyse der Varianten, die am Institut für Virologie erfolgen wird, ist in diesem Zusammenhang eine zentrale Aufgabe", erklärt Rektor Wolfgang Fleischhacker.

Orthopäde wird angelernt

Die Erstauswertungen der PCR-Tests werde von der Firma Novatium durchgeführt, da diese über die notwendige Infrastruktur verfüge und dabei fachlich von MitarbeiterInnen des Instituts für Virologie unterstützt und beraten werde. "Wir haben durch diese Zusammenarbeit eine notwendige Ausgangsbasis für weitere Forschungsarbeiten. Auch in Zukunft können damit mein Team und ich weitere Beiträge zur Covid-19-Forschung leisten", ergänzt von Laer.

Zur Rolle des Wiener Orthopäden sagt von Laer: "Seit kurzem lernen wir einen Arzt aus Wien an, der von unseren Fachärztinnen für die einfache PCR-Befundung ausgebildet und überwacht wird. Dieser Arzt ist bei der Novatium angestellt. Die Befundung erfolgt am Rechner, dort kann man die PCR-Kurven einsehen, technisch bewerten und befunden. Dies ist heutzutage ein üblicher Vorgang (gemeinsame Videokonferenzen etc.). Man kann an zwei unterschiedlichen Computern in Wien und Innsbruck sitzen, sich gemeinsam die Ergebnisse anschauen und dann bewerten."

Justizministerium und Landesrechnungshof am Zug

In der Causa rund um die Auftragsvergabe zur Durchführung von PCR-Tests in Tirol durch die HG-Pharma-Tochterfirma HG Lab Truck hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ihre Ermittlungen mittlerweile abgeschlossen. Es wurde ein Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt, sagte eine Sprecherin der APA am Montag. Inhaltlich wollte sie sich nicht äußern. Ob Anklage erhoben wird oder nicht, war somit vorerst unklar.

Die OStA Wien werde eine Stellungnahme abgeben, erklärte Sprecher Michael Klackl gegenüber der APA. Letztlich entscheide dann das Justizministerium. Es stand der Vorwurf im Raum, dass die HG Lab Truck die vom Land Tirol in Auftrag gegebenen PCR-Tests "nicht sach- und fachgerecht durchgeführt hätte bzw. zur Durchführung solcher Tests nicht qualifiziert und berechtigt gewesen sei", hatte es seitens der Innsbrucker Anklagebehörde geheißen.

Zudem prüft in Tirol der Landesrechnungshof im Zuge einer vom Landtag in Auftrag gegebenen Sonderprüfung die Vergabe. Mit einem Ergebnis wird im Herbst gerechnet. (ars, 23.7.2021)