Wieder eine Absage bei der Wohnungssuche. Und wieder eine. Und noch eine. Irgendwann hatte der Berliner Cem K. die Nase voll. Er ahnte: Dass er nicht einmal zu Besichtigungen eingeladen wurde, musste etwas mit seinem türkischen Nachnamen zu tun haben.

Also bewarb er sich für eine Wohnung bei der Deutschen Wohnen, einem börsennotierten Riesen am Berliner Immobilienmarkt, zwei Mal. Zunächst unter seinem eigenen Namen, ein weiteres Mal als angeblicher "Michael Grünberg". Leider sei die Wohnung schon vergeben, hieß es im ersten Fall. Im zweiten gab es gleich eine Einladung zur Besichtigung.

Das wollte K. nicht auf sich beruhen lassen. Er verklagte, mit Unterstützung der Berliner "Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt", die Deutsche Wohnen und bekam vom Amtsgericht Charlottenburg 3000 Euro Schadensersatz zugesprochen.

Gesetz gegen Diskriminierung

Er habe dargelegt, dass er "allein aufgrund seines türkisch klingenden Namens, mithin seiner ethnischen Herkunft, keine Einladung zu einem Besichtigungstermin erhalten hat", heißt es in dem Urteil.

Wohnraum innerhalb des S-Bahn-Rings, der auch noch halbwegs bezahlbar ist, wurde in den vergangenen Jahren in Berlin zum knappen Gut. Das Nachsehen haben oft Menschen mit ausländischen Namen.
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"Diskriminierung bei der Wohnungssuche erleben viele Menschen. Jeder Dritte mit Migrations- oder Fluchtgeschichte berichtet über solche Erfahrungen", sagt Remzi Uyguner, der seit vier Jahren in der Fachstelle Betroffene berät und begleitet. Sie ist die einzige in Deutschland, die ausschließlich gegen Benachteiligung am Wohnungsmarkt kämpft.

Eigentlich verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), besser bekannt unter dem Namen "Antidiskriminierungsgesetz", seit 2006 in Deutschland explizit "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität". Doch das hat sich bei vielen Vermietern noch nicht durchgesprochen. Mehr als 650 Hilferufe sind in den vergangenen vier Jahren an die Fachstelle ergangen.

"Es sind wirklich krasse Fälle dabei", sagt Uyguner und erzählt von einem Paar im eher nobleren Bezirk Zehlendorf. Vermieter und künftige Mieter seien sich handelseins gewesen. Eigentlich sei es nur noch um die Unterschrift im Mietvertrag gegangen. Doch als der Vermieter sah, dass die Frau einen Nikab trug, machte er plötzlich einen Rückzieher und erklärte, die Wohnung sei wegen Eigenbedarfs nicht mehr frei.

Leitfaden für Testing

Doch Klagen haben nicht immer Aussicht auf Erfolg, weil oft die Beweise fehlen. Daher hat die Beratungsstelle einen Leitfaden für Testing entwickelt, den Gerichte als zulässige Methode zum Nachweis von Diskriminierung anerkennen.

"Geben Sie die gleichen Informationen wie in der ursprünglichen Bewerbung an", heißt es darin. Familienstand, Berufstätigkeit und Alter sollen identisch sein. Einziger Unterschied: Einmal bewirbt man sich mit dem eigentlichen Namen, einmal mit einem deutschen.

Wobei der Name nicht die einzige "Hürde" ist. Schwer haben es auch Bewerber und Bewerberinnen mit mehreren Kindern oder mit Behinderung. "Wir setzen uns parteiisch für die gesellschaftlich benachteiligte Seite ein", sagt Uyguner. In vielen Fällen schreibt er Briefe an Vermieter, um zu zeigen, "dass wir Diskriminierung im Blick haben".

Kultur des Vermietens

Doch es geht in der Fachstelle nicht nur um Hilfe im Einzelfall. "Beratung und Begleitung für Betroffene ist wichtig, aber das allein verbessert nicht die Kultur des Vermietens und Bewirtschaftens von Wohnraum", sagt Christiane Droste, die in der Fachstelle die Bereiche Beratung/Begleitung sowie Strategie/Vernetzung koordiniert. Daher hat die Fachstelle gemeinsam mit Vertretern der Wohnungswirtschaft das Leitbild "Berlin vermietet fair!" erstellt.

Fair zu vermieten bedeute, "Mitverantwortung dafür zu übernehmen, dass in Berlin ein vielfältiges Wohnungsangebot erhalten bleibt", heißt es darin. Und es heiße auch, "Vergabeprozesse für Wohnungssuchende nachvollziehbar zu kommunizieren und Vergabekriterien sichtbar zu machen" sowie Beschwerden gegen Diskriminierung ernst zu nehmen. Denn derzeit, so die Kritik der Fachstelle, reagierten viele Vermieterinnen und Vermieter "nicht lösungsorientiert, sondern ablehnend".

Wer das Leitbild unterzeichnet, verpflichtet sich, diese Grundsätze einzuhalten. Allerdings gibt es keine Sanktionen, wenn dies nicht passiert. Droste hofft nun, dass möglichst viele Vermieter unterzeichnen. Schon getan hat es Allod, eine große Berliner Immobilienverwalterin.

Nicht mitmachen wollen ausgerechnet die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Sie erklären, dass diskriminierungsfreies Vermieten für sie eine "Selbstverständlichkeit" sei. Droste ist dennoch zufrieden, dass das Leitbild überhaupt zustande kam. Sie sagt: "Immer mehr Eigentümer übernehmen Verantwortung für ,faires Vermieten‘, das mehr bedeutet als allein Rendite zu erwirtschaften." (Birgit Baumann, 25.07.2021)