Die Witwe von Festspielgründer Max Reinhardt, Helene Thimig, hat im Unterschied zu vielen Nazis in Salzburg keinen Straßennamen. Bürgerlistengemeinderat Markus Grüner-Musil präsentierte am Freitag im Beisein der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold (Bildmitte), und des Historikers Andreas Praher (Uni Linz / KZ-Verband) ihr Straßenschild.

Foto: Bürgerliste/Farcher

Es waren beklemmende Zeilen, die Markus Grüner-Musil – Kultursprecher der grünen Bürgerliste im Salzburger Gemeinderat – Freitagvormittag vortrug. Die Bürgerliste hatte zu einer Lesung aus jenem Historikerbericht geladen, der – im Auftrag der Stadt erstellt – bei zumindest 13 der insgesamt 66 nach NS-Parteigängern oder engstens ins System verstrickten Mitläufern benannten Straßen dringenden Handlungsbedarf sieht.

Wie berichtet, hat Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) den Bericht verworfen, sich gegen jede Umbenennung von Straßen oder Plätzen gestellt und einen umstrittenen rechtskonservativen Historiker mit der Erarbeitung einer Art von Gegenkonzept beauftragt.

"Die Verjudung des Musiklebens"

Grüner-Musil bekräftigte am Freitag die Forderung nach einer Umbenennung der 13 hoch belasteten Nazi-Straßennamen – unter denen sich auch so prominente Namen wie Karajan oder Porsche finden. Inhaltlich ließ Grüner dabei vor allem die Nazi-Texte für sich selbst sprechen. Ein Beispiel von vielen: Der in Salzburg als Mitbegründer der Salzburger Festspiele mit einer Straße im Stadtteil Parsch geehrte Heinrich Damisch war überzeugter Nationalsozialist und trat der NSDAP bereits 1932 bei.

Im Pamphlet "Die Verjudung des österreichischen Musiklebens" sprach er 1938 unter anderem von "fast planmäßig und jedenfalls sehr geschäftstüchtig geleisteten Vorarbeiten" und davon, dass "das Judentum um die Wende des Jahrhunderts einen Kulturkampf entfachte, der die völlige Vernichtung des arischen Kunstempfindens und der arischen Künstlerschaft sowie deren nahezu restlose Ersetzung durch jüdische Elemente zum Ziel hatte. Kubismus, Dadaismus und Atonalismus waren die ersten Giftgase, die man in das arische Publikum schleuderte, um es für die Zerstörung aller abendländischen Kulturbegriffe gefügig zu machen. Auf dem Gebiete der Musik hat dieser Vernichtungskrieg von Wien seinen Ausgang genommen (...)."

Kalter Krieg

Alle 66 aufgelisteten Nazi-Straßen in Salzburg – etwa zehn Prozent aller nach Menschen benannten Straßen und Plätze – wurden nach 1945 benannt; manche wie beispielsweise der Karajan-Platz 1993 erst in jüngerer Vergangenheit. Warum gerade in Salzburg derart viele Nazi-Namen zu finden seien, erklärt der Historiker Gert Kerschbaumer (Personenkomitee Stolpersteine und selbst Mitglied in der von der Stadt eingesetzten Historikerkommission) in einer Debatte nach der Lesung mit der massenweisen Flucht der Nazis vor der Roten Armee in die US-Zone. Für Kerschbaumer sind die Namen aber auch Ausdruck des Kalten Krieges, Salzburg habe quasi als Frontstadt gegen den Osten fungiert.

Anna Reindl

Dass Umbenennungen möglich seien, zeigten Beispiele aus Deutschland, stellte sich der Zeithistoriker Andreas Pracher (Uni Linz und KZ-Verband) gegen die Linie des Bürgermeisters. Neben prominenten Künstlern und Künstlerinnen mit Festspielbezug, wie etwa der Witwe von Festspielgründer Max Reinhardt, Helene Thimig, sollten auch Frauen aus dem politischen Widerstand gegen die Nazis geehrt werden. Als Beispiel nannte Praher die 1942 in Auschwitz ermordete Widerstandskämpferin Anna Reindl.

"Keine Vorbilder"

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold, unterstützt die Bestrebungen nach Umbenennungen. Die Mitläufer dürften nicht als Vorbilder dienen, sagt sie. Und: Die 66 Personen seien als Unterstützer des NS-Systems "politisch schuldig geworden", auch dann wenn sie selbst nicht direkt in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen seien. (Thomas Neuhold, 23.7.2021)