Die Übertragung eines gemeinsamen Wohnrechts auf einen der beiden Ehegatten gegen Leistung einer Ausgleichszahlung ist laut dem OGH zulässig.

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Die Vermögensaufteilung nach einer Scheidung ist oftmals eine schwierige Angelegenheit – auch deshalb, weil das Ehegesetz viele Fragen offen lässt. Im Fall eines Ehepaars, das sich das Gebrauchsrecht an einer Wohnung teilte, sorgte der Oberste Gerichtshof (OGH) nun für eine Klarstellung: Ein höchstpersönliches Wohnrecht zählt zwar nicht zu den ehelichen Ersparnissen, kann gegen Leistung einer Ausgleichszahlung aber auf einen der beiden Ehegatten übertragen werden (OGH 22.6.2021, 1 Ob 67/21s).

Tochter bekam Wohnung

Anlass des aktuellen Verfahrens war ein Paar, dessen Ehe nach 40 Jahren aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden wurde. Die gemeinsame Wohnung war bereits zwei Jahre zuvor per Schenkungsvertrag an die erwachsene Tochter übertragen worden. Diese sicherte ihren Eltern vertraglich "ein höchstpersönliches, lebenslanges und unentgeltliches Wohnungsrecht" im gesamten Wohnhaus zu. Nach der Scheidung blieben die Ehemaligen zunächst weiterhin gemeinsam im Haus, das Zusammenleben gestaltete sich aber schwierig.

Die Frau stellte daher den Antrag, den Mann vom Wohnungsgebrauchsrecht auszuschließen. Das Erstgericht und Berufungsgericht gaben ihr recht: Sie wiesen der Frau das alleinige Wohnrecht zu und verpflichteten sie im Gegenzug zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags an den Mann. Dieser wandte sich an den Obersten Gerichtshof: Sein höchstpersönliches Recht könne ihm weder entzogen noch auf seine Exfrau übertragen werden. Das Wohnrecht zähle nicht zu den ehelichen Ersparnissen und sei in die Vermögensaufteilung nach der Scheidung nicht miteinzubeziehen.

Gesetzeszweck ist entscheidend

Der OGH ließ das Verfahren zur Klarstellung der Rechtslage zu, bestätigte im Ergebnis allerdings die Entscheidungen der Vorinstanzen: Dem Mann sei zuzustimmen, dass das Wohnungsgebrauchsrecht nicht verwertet werden könne und deshalb nicht zu den ehelichen Ersparnissen zähle. Die Ehewohnung selbst sei aber "eheliches Gebrauchsvermögen", das nach der Scheidung aufgeteilt wird.

Dass der Gesetzgeber den Fall eines gemeinsamen Wohnrechts nicht explizit geregelt hat, ändere daran nichts. Entscheidend sei der Zweck des Gesetzes: Die nacheheliche Aufteilung soll jedem der geschiedenen Ehegatten einen angemessenen Teil des Vermögens zukommen lassen. Ein Verbleib des Wohnrechts beim Mann würde zur unzumutbaren Situation führen, dass die geschiedenen Ehegatten weiterhin gemeinsam in der Wohnung leben müssten. Der Entzug des höchstpersönlichen Wohnrechtes gegen Leistung einer Ausgleichszahlung war laut dem Obersten Gerichtshof daher zulässig. (japf, 24.7.2021)