Eine Naturkulisse, die direkt in die Vergangenheit führt: "Zornkraut" auf dem Vinkl-Hof in Kärnten.

Foto: Zdravko Haderlap

Der seit 2002 auf dem Vinkl-Hof bei Eisenkappel lebende Bergbauer, Imker, Schnapsbrenner und Theatermacher Zravko (sprich: Zdrauko) Haderlap hat bereits in den 90ern Johann Kresniks Überlegungen zum "choreographischen Theater" aufgegriffen. Immer noch präsentiert er gelegentlich Bühnenarbeiten in diesem Geist, so seit gestern auf dem Gelände seines Hofes eine Umsetzung lyrischer Texte seiner Schwester Maja Haderlap.

Die hochoriginelle Produktion nennt sich Zornkraut, was auf das zornige Springkraut anspielt, das in einem der Gedichte vorkommt, die Maja Haderlap bei Besuchen auf dem Vinkl-Hof verfasst hat: Der Ort war Schauplatz der Familiengeschichte, wie sie die Autorin im Roman Engel des Vergessens im Zusammenhang mit der blutigen Südkärntner Vergangenheit dargestellt hat.

Wenn Magda Kropiunig auch einige der Gedichte als "Rückkehrerin" spricht, so ist der Abend doch darum bemüht, Einblick in die Zusammenhänge zu gewähren, die den Nährboden von Maja Haderlaps Schreiben bilden bzw. von einem Teil davon. Denn da bleibt ein feiner Unterschied zwischen der für einen Besuch zurückkehrenden Schwester und ihrem Bruder, der sich dauerhaft auf den Hof eingelassen hat. Den Unterschied bildet auch das Detail ab, dass Zravko Haderlap das choreografische Theaterstück, das auf dem Roman basierte, 2013 Engel der Erinnerung nannte.

Wanderung durch Leintücher-Labyrinth

Die Produktion hat zwei Teile. Im ersten Teil wandert das Publikum durch ein Labyrinth aus Leintüchern, in dem jahrmarktmäßig, auch kreuzweghaft die Vergangenheit in elf Stationen wach ist. Eine gebrochene Seele, unter einer Scheibtruhe und einem Misthaufen begraben, spielt Akkordeon. Es gibt eine "Weltkrone" aus Stacheldraht, besetzt mit Schneckenhäusern. Das tägliche Brot wird gebacken, und in einem Zelt kann man wählen, welcher Text zu Gehör kommt.

Im zweiten Teil gibt es eine Naturbühne, mit bunt beleuchteten Bäumen wie in einem Sommernachtstraum. Theaterkomponist Nikolaj Efendi füllt das kleine Tal, in dem irgendwo auch Schafe blöken, mit empathischen Klängen. Der Titel dieses zweiten Teils lautet "Die Rückkehrerin". Diese scheint auch im Badeanzug im Liegestuhl gelegen zu sein, während Holzarbeiter das Beil schwingen und die Geschichte in Erinnerungspartikeln aufleuchtet: etwa im Vater, der aus den Armen der Mutter sterbend zu Boden sinkt, so oft, dass es für die Kriegsopfer aller Welt gilt. (Michael Cerha, 24.7.2021)