Ein Konzern und acht Erben aus drei Ehen. Das klingt nicht nur kompliziert – das ist es auch, wie der Zwist im Hause Dr. Oetker zeigt. Seit Rudolf-August Oetker, der Enkel des Firmengründers, 2007 gestorben ist, haben sich die Erben um den Konzern gestritten. Jetzt wird die Gruppe, die aus 442 Unternehmen besteht und im Vorjahr einen Umsatz von 7,3 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet hat, zerschlagen.

Die drei Erben aus Oetkers dritter Ehe übernehmen die Schaumwein-Sparte Henkell und Freixenet, die zuletzt auf einen Jahresumsatz von knapp einer Milliarde kam. Auch die Kunstsammlung, die Martin Braun Backmittel und die Chemische Fabrik Budenheim KG sowie der Online-Weinhändler Belvini.de gehen unter anderem an sie. Ebenso die Oetker Hotel-Management Company, die Luxushäuser wie etwa Brenners Park Hotel in Baden-Baden und Cap-Eden-Roc an der Côte d’Azur managt, wandern in diese neue Holding.

Wobei diese beiden Hotelgrundstücke bei den fünf Erben aus den anderen beiden Ehen bleiben. Die kümmern sich in der Hauptsache fortan um das umsatzstärkste Stammgeschäft Nahrungsmittel (Pizza, Backmittel, Pudding, Konditorei Coppenrath & Wiese) sowie um die Radeberger Gruppe, Deutschlands größte Brauerei (siehe Grafik).

Pizza, Pudding, Kuchen und die Brauerei bleiben in der einen Familienhälfte. Die Kunstsammlung sowie die Schaumwein-Sparte wandern samt Hotels in die andere Familienhälfte. So endet der Oetker-Streit.
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Dabei war alles anders geplant: Oetker hatte seinen acht Kindern jeweils je 12,5 Prozent am Konzern übertragen. Kenner der Materie sehen darin den Wunschs nach harmonischer Weiterführung. Zudem gab es eine Regelung, die besagte, dass die fünf älteren Geschwister die drei jüngeren nicht automatisch überstimmen konnten. Das hat aber alles nichts genützt, sondern die Entscheidungskraft blockiert und den Familienfrieden zerstört.

Die drei jüngeren Geschwister Alfred, Carl Ferdinand und Julia Johanna Oetker können nun mit ihrer Holding einen eigenen Kurs steuern. Offiziell heißt es in einer Mitteilung von Oetker: "Mit dieser Entscheidung überwinden die Gesellschaftergruppen ihre unterschiedlichen Vorstellungen zur Führung und Strategie der Oetker-Gruppe."

Der Streit um die Ausrichtung hat auch bisher schon Spuren hinterlassen. 2017 trennte sich die Familie von der Container-Schifffahrt. Für 3,7 Milliarden Euro übernahm der dänische Marktführer Maersk Hamburg-Süd von Oetker den Bereich, der mit diesem Schritt rund die Hälfte seines damaligen Umsatzes einbüßte.

"Unbelastete Perspektive"

Die jetzige Neuaufteilung des Konzerns ist via Trennungsvereinbarung bereits von allen acht Eigentümern unterzeichnet worden, teilte ein Konzernsprecher mit. Die Unternehmen der Gruppe würden so "eine unbelastete Perspektive für profitables Wachstum in ihren jeweiligen Märkten haben". Die Entscheidung soll laut Mitteilung keine Auswirkungen auf die rund 36.000 Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen der Oetker-Gruppe haben.

Noch abgewickelt wird die Trennung der Oetker-Gruppe von ihrem Kreditinstitut, dem Bankhaus Lampe. An diesen Plänen werde unverändert festgehalten, heißt es.

Der Konflikt im Hause Oetker hat eine lange Tradition. Auf der einen Seite stehen die fünf älteren Halbgeschwister aus den ersten beiden Ehen des 2007 verstorbenen Firmenpatriarchen, auf der anderen Seite drei jüngere aus der dritten Ehe. Ende 2016 musste Richard Oetker (viertes Kind aus der zweiten Ehe) die Konzernleitung laut Statut mit 65 Jahren aufgeben. Bereits im Jahr 2010, als er das Ruder übernahm, waren sich die Familienstämme nicht einig. Er, in der Öffentlichkeit seit 1976 bekannt als das Entführungsopfer von Dieter Zlof, galt vor sechs Jahren als Puffer zwischen den Generationen und verhinderte Alfred Oetker (erstes Kind aus dritter Ehe) an der Spitze.

Die Entführung von Richard Oetker vor 45 Jahren gilt als einer der spektakulärsten Fälle in der deutschen Strafgeschichte. Oetker wurde damals im Dezember 1976 auf einem Parkplatz der Universität Weihenstephan in Freising entführt, musste knapp siebenundvierzig Stunden in einer sargähnlichen Holzkiste verbringen, ehe er lebensgefährlich verletzt im Kreuzlinger Forst bei München freigelassen wurde. Die Familie zahlte damals 21 Millionen Mark als Lösegeld. Der Täter wurde zwei Jahre später gefunden und verhaftet.

Mit dem Streit ums Familienerbe sind die Oetkers in guter Gesellschaft. Auch die Brüder Adi und Rudolf Dassler (Adidas/Puma) feilschten nach dem Krieg um den Konzern, ebenso zanken sich die Aldi-Brüder oder die Burdas. Aktuell knatscht es auch bei Tönnies. Im Streit um die Fleischerei streiten Onkel und Neffe um die Wurst. (Bettina Pfluger, 23.7.2021)