Anfang Jänner nimmt in der Öbag-Zentrale in Wien-Alsergrund eine neue Führungskraft als Alleinvorstand Platz.

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Wien – Nun wird es ernst in der staatlichen Beteiligungsholding Öbag, konkret an deren Spitze: Am Samstag um Mitternacht endet die Ausschreibungsfrist für den Posten des Alleinvorstands. Der frühere Chef, Thomas Schmid, nahm ja bekanntermaßen im Juni seinen Hut; seine öffentlich gewordenen Unterhaltungen mit türkisen Regierungsmitgliedern und Vertrauten über seine Bewerbung beziehungsweise Bestellung, über Mitarbeiter und den "Pöbel", der nicht Businessclass fliegt, waren Gründe dafür.

Unter den zahlreichen Bewerbern für den Posten, der ab Jänner 2022 zu besetzen ist, soll Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun die besten Karten haben. Er gilt als bestens vernetzt in die Politik, seine langjährige Berufserfahrung wird ihm von Befürwortern auf die Habenseite verbucht. Taktisch klug wäre seine Installierung im Chefsessel der Öbag insofern, als es die traditionell kritische Sozialdemokratie diesfalls mit Kritik an der Öbag deutlich schwerer hätte. Schließlich ist Hesoun einer der ihren, er gehört zur roten Reichshälfte.

Draht in die Staatsholding

Der frühere General des Baukonzerns Porr wäre für die Öbag insofern kein Neuling, als er in deren Sorgentochter Casinos Austria AG (Casag) seit Dezember 2020 den Aufsichtsratspräsidenten gibt. Er folgte dort auf Walter Rothensteiner, der in der Causa Postenschacher – ausgelöst durch die Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand – als Beschuldigter geführt wird. Rothensteiner bestreitet die Vorwürfe.

Auch Frauen finden sich laut wohlinformierten Quellen auf der Bewerberliste: Karin Exner-Wöhrer (49), Vorstandsvorsitzende der Salzburger Aluminium AG, die für die Öbag im Aufsichtsrat der Telekom Austria (TA) sitzt.

In der engeren Wahl für den Spitzenjob in der Verstaatlichtenholding soll sich auch die Aufsichtsratsvorsitzende der Pensionskasse APK, Barbara Potisk-Eibensteiner, befinden. Sie hat bereits einen direkten Draht in die Öbag, denn die Staatsholding ist mit knapp 33 Prozent an der Pensionskasse beteiligt, die zuletzt rund 6,7 Milliarden Euro an Vermögen veranlagt hatte und das Geld für mehr als 660.000 Bezugsberechtigte verwaltet.

Höhere Gage

Die Neue oder der Neue darf dem Vernehmen nach eine Jahresgage von 600.000 bis 800.000 Euro erwarten – das wäre deutlich mehr als in der Vertragsschablone vorgesehen, wie das Gehaltsschema im staatsnahen Management heißt. Und das wäre auch mehr, als Schmid hatte. Er verdiente laut Corporate-Governance-Bericht der Öbag im ersten Rumpfjahr seiner Tätigkeit (ab Ende März 2019) in Summe 452.261,83 Euro brutto, (303.642,03 Euro Fixum plus 148.619,80 Euro Bonus). Im Vorjahr bekam Schmid ein Fixum von 411.520 Euro, über die Höhe des Bonus ist im Bericht noch nichts nachzulesen. Auf 600.000 Euro in Summe dürfte Schmid, der nun in den Niederlanden leben soll, aber schon gekommen sein.

Öbag-Präsident Helmut Kern darf bestellen, wer fachlich und politisch konveniert.
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Öbag-Präsident Helmut Kern blockt Fragen ab: "Wir haben zur Vorstandssuche eine Nachrichtensperre beschlossen, um den Prozess in seiner Integrität und Qualität zu sichern und (potenzielle) Bewerber zu schützen", teilte er am Freitag mit. Öbag-Interimschefin Christine Catasta spielt bei der Kandidatensuche übrigens keine Rolle, sie hat bei Funktionsübernahme an der Öbag-Spitze im Frühjahr schriftlich erklärt, sich nicht zu bewerben.

Mehr als ein Berufsaufsichtsrat

Spannend wird, wie der oder die Neue den politisch bisweilen heiklen Job anlegt. Denn der Alleinvorstand ist mehr als ein Berufsaufsichtsrat in den elf Beteiligungen von A1 bis Verbund: Strategie, Großinvestitionen, Kapitalmarkterfahrung und Industry-Analysis für die jeweilige Industrie – um die wichtigsten Aufgaben zu nennen. Diesbezüglich sehen kritische Beobachter bei der Öbag Nachholbedarf, etwa was den Energiemix des Verbunds betrifft oder die Bank 99 der Post. Österreich sei "overbanked", und just die staatliche Post gründe ein Institut, das kaum vom Fleck komme, argwöhnen Politprofis und Manager.

Interims-Chefin Christine Catasta bewirbt sich nicht um den Öbag-Chefsessel.
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Die wohl wichtigste Aufgabe sind freilich Vorstandsbesetzungen in den Beteiligungen, die idealerweise nicht nach Vorliebe der Politik zu besetzen sind, umreißt ein früherer Beteiligungsmanager die Tätigkeit. Dazu gehört auch, die Dividendenwünsche des Finanzministers zu erfüllen – alles heikle Aufgaben.

Diplomatisches Geschick

Respekt vor der öffentlichen Verantwortung sei dabei nicht von Nachteil, mahnen frühere Staatsmanager. Man müsse stets damit rechnen, vor dem Parlament Rede und Antwort stehen zu müssen, es geht ja um das Familiensilber der Republik. Auch kulturelle Affinität sei gefragt, man habe schließlich Syndikate mit Partnern aus Abu Dhabi (bei der OMV) oder Mexiko (America Movil bei A1 Telekom) zu führen. Das ist das Stichwort: Das Syndikat mit Mexiko endet 2024 und dürfte angesichts der mexikanischen Aktienmehrheit eher nicht verlängert werden. An ihm hängt das Nominierungsrecht für den TA-Generaldirektor und den Aufsichtsratsvorsitz.

"Aktives Beteiligungsmanagement", das Thomas Schmid als Aufgabe wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat, sei hingegen nicht Hauptaufgabe, mahnen Kenner der Szene. Es gebe aktuell weder einen Privatisierungsauftrag der Regierung noch einen für einen Unternehmenserwerb. Auch Industrie- und Standortpolitik sei nicht Aufgabe, dafür sei das Wirtschaftsministerium zuständig. (Renate Graber, Luise Ungerboeck, 24-7-2021)