Was in anderen Ländern längst existiert, soll bis Mitte 2022 auch in allen EU-Staaten ankommen: Unwetterwarnungen, die direkt am Handy landen. Die sogenannten "Cell Broadcast Alerts" laufen über das Mobilfunknetz, setzen keine Internetverbindung voraus und weisen in Form einer priorisierten Textnachricht, eine Art "Spezial-SMS" mit erhöhtem Zeichenlimit, Nutzer in der Umgebung der Funkzellen der betroffenen Region auf die drohende Gefahr hin.

"EU Alert", in der österreichischen Variante "AUT Alert", heißt das System, das spätestens im Juni kommenden Jahres startklar sein soll. Im Jänner 2019 hatte die damalige türkis-blaue Regierung seine Einführung angekündigt. Die Agenden sind mittlerweile vom Umwelt- ins Landwirtschaftsministerium gewandert. Die Dringlichkeit eines solchen Systems wurde erst kürzlich von den Folgen schwerer Unwetter in mehreren Teilen des Landes dargelegt.

Schnelle Warnung für Millionen Nutzer möglich

Eine Cell Broadcast-Nachricht bietet Raum für bis zu 1395 Zeichen. Sie kann gemäß den damaligen Angaben des Ministeriums binnen 10 Sekunden an 500.000 Funkzellen versandt werden und Millionen Menschen erreichen. Die Realisierung erfordert Zusammenarbeit zwischen Regierung, Mobilfunkern und Stakeholdern in Sachen Wetterwarnungen und Katastrophenschutz. Eingesetzt werden Systeme dieser Art aber nicht nur im Kontext von Unwettern, sondern etwa auch für Terror- und Corona-Warnungen.

Eine Tornado-Warnung, ausgespielt vom US-amerikanischen National Weather Service.
Foto: Wikimedia Commons/soccera2g

Moderne Mobiltelefone sind allesamt mit dem Dienst kompatibel, dessen technische Grundlage als Teil des GSM-Standards bereits seit der 2G-Ära existiert. In einigen Fällen müssen diese aber erst in der jeweils genutzten SMS-App aktiviert werden, damit man sie auch sehen kann.

Bis AUT Alert allerdings "live" geht, ist man auf die bisherigen Mittel für Wetterwarnungen angewiesen. Beispielsweise veröffentlicht die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) entsprechende Warnungen, die auch von Medien, Katastrophenschutzdiensten, manchen Versicherungen und Wetter-Apps aufgegriffen werden. Sie werden auch als Benachrichtigung über die App der ZAMG versandt. Eigene Warnmeldungen gibt es zudem vom ORF-Wetterdienst.

Kurzfristige Warnungen und fehlende Awareness

Wetterprognosen werden zwar immer lokaler und genauer, vollbringen aber noch keine Wunder, heißt es seitens der ZAMG in der ORF "Zeit im Bild". (23.7.) Schwere Unwetter lassen sich auf regionaler Ebene zwar schon mit recht langem Vorlauf vorhersagen. Doch lokale Ereignisse, wie etwa die schweren Gewitter, die massive Überflutungen in Hallein ausgelöst haben, seien nur kurzfristig prognostizierbar.

Hallein bei Salzburg war von den jüngsten Unwettern schwer betroffen.
Foto: APA/vogl-perspektive.at/Mike Vogl

Die Warnungen werden auf einer vierstufigen Farbskala von grün bis rot gemäß ihrer Gefährlichkeit eingestuft. Dabei berücksichtig man auch regionalen Kontext, da etwa einige Zentimeter erwarteten Schneefalls in kurzer Zeit im Flachland andere potenzielle Folgen haben, als in einer Bergregion. Zudem versieht man die Warnungen mittlerweile auch mit Handlungsempfehlungen, wie etwa dem Schließen von Türen und Fenstern bei Sturmgefahr.

ORF-Wetterchef Marcus Wadsak sieht noch eine andere Herausforderung. Die Menschen müssten auch lernen, die Warnungen auch ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln, analysiert er in der ZiB. "Das war in Deutschland und teilweise bei uns nicht immer der Fall", meint er zu den jüngsten Unwettern. In den USA vertraue man stark auf die meteorologischen Warnungen. Dort werden etwa bei einer Hurrican-Warnung in Florida großflächige Evakuierungen vorgenommen.

Eine über einen Versicherer ausgespielte Wetterwarnung der Unwetterwarnzentrale.
Foto: DER STANDARD/Pichler

Deutschland denkt um

Eine Reihe von EU-Staaten nutzen bereits ein CB-basiertes Warnsystem, darunter etwa Italien und die Niederlande. Das gefährliche Wettergeschehen, das sich in diesem Sommer durchaus noch wiederholen könnte, hat in Deutschland zu einem Umdenken geführt. Die Bundesrepublik hatte eigentlich eine Ausnahme durchgesetzt, über die sie das App-basierte Warnsystem "Nina" als gleichwertig deklarieren wollte.

Experten hatten diesen Zugang allerdings kritisiert. Dass Nutzer sich erst eine App installieren müssten und Featurephones gar nicht erst abgedeckt sind, würde die Reichweite eines solchen Systems massiv einschränken, lautete die Kritik. Dafür gibt es auch Beispiele. Frankreich stellte die Entwicklung einer ähnlich gearteten App (SAIP) 2018 ein, da man mit dieser kaum mehr als 1,5 Prozent der Handynutzer erreichen konnte. Nina erreichte laut offizieller Auskunft gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" im Frühjahr 2020 etwa 7,6 Millionen Menschen, also nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung.

Jetzt wird auch in Deutschland an einer CB-Lösung gearbeitet, berichtet Golem. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll damit ab Sommer 2022 arbeiten können. (gpi, 25.7.2021)