Lockdowns im Herbst trotz ausreichend zur Verfügung stehendem Impfstoff? Der Virologe Christian Drosten hält das für möglich.

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Berlin/Wien – Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland herrscht unter Fachleuten zunehmend Nervosität, was die künftige Entwicklung der Coronaviruspandemie angeht. Christian Drosten, einer der renommiertesten Experten im deutschsprachigen Raum, fürchtet, dass es trotz zur Verfügung stehender Impfstoffe zu einer ausgeprägten vierten Infektionswelle kommen könne – weil die Impfbereitschaft lahme.

"Ich bin zunehmend besorgt über den Impffortschritt. Hier kommen wir nicht schnell genug voran, obwohl genug Impfstoff zur Verfügung steht", sagte Drosten in einem Interview mit der deutschen Presseagentur. Viele Menschen würden das Risiko angesichts der derzeit noch niedrigen Inzidenzen unterschätzen.

Verdopplung der Infektionen alle neun Tage

Tatsächlich verdoppeln sich in Österreich die erhobenen Infektionszahlen derzeit alle neun Tage. Auf dem aktuellen niedrigen Niveau erscheint das wenig besorgniserregend, doch bei einem Fortschreiben dieses Trends gerät man rasch auf ein bedenkliches Inzidenzniveau.

Das dann erhöhte Risiko, nach einer Infektion schwer zu erkranken, würde in diesem Fall jene Menschen treffen, die noch keine Impfung erhalten haben. Sei es, weil sie es so wollen oder weil sie – wie etwa Kinder unter 12 Jahren – noch nicht immunisiert werden können.

Mehr Informationsarbeit nötig

In Österreich wurden bis dato 5.202.260 Menschen – 65,84 Prozent der impfbaren Bevölkerung – mindestens einmal coronageimpft – 4.235.655 Menschen (oder 53,61 Prozent) bereits zwei Mal. In Deutschland haben etwas über 60 Prozent der Menschen bereits eine oder beide Dosen erhalten.

Es müsse nun viel mehr Informationsarbeit geleistet werden – auch im privaten Umfeld, damit die Impfquote schneller ansteigt, sagte Drosten der dpa. Würden sich mehr Menschen impfen lassen, so würde "die Wahrscheinlichkeit von erneuten schmerzhaften Eingriffen im Winter sinken."

Riskante Inzidenzen binnen einem Monat

Das bisher Erreichte nämlich reiche "sicherlich nicht aus", um eine "schwere Winterwelle" verhindern. So sei zum Beispiel bei 75 Prozent voll Geimpfter über 60 Jahren ein Viertel dieser besonders gefährdeten Altersgruppe ohne Schutz.

Bleibe das so, könne man zwar rund viermal mehr Infektionen zulassen als noch vor der Impfkampagne. Diese Vervierfachung jedoch wäre "bei einer Verdopplungszeit von vielleicht 10 bis 14 Tagen in weniger als einem Monat erreicht." (Irene Brickner, 24.7.2021)