Das Festival ist bereits am 17. Juli mit einer beim Publikum umjubelten "Jedermann"-Neuinszenierung in das verlängerte 100-Jahr-Jubiläum gestartet und endet am 31. August.

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Salzburg – Betont europäisch gaben sich die Salzburger Festspiele bei der Eröffnung gestern, Sonntag. Im Jahr eins nach dem pandemiebedingt vermiesten 100-Jahr-Jubiläum reiste nicht nur Österreichs versammelte Staatsspitze an, sondern auch die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Einzig Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) musste erkrankt kurzfristig absagen – "Kein Corona aber!", wie man gleich klarstellte.

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und der kaufmännische Direktor der Salzburger Festspiele, Lukas Crepaz.
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Jener eine aufgetretene positive Covid-Fall bei einem Besucher der Jedermann-Premiere, der die Festspiele zur Einführung der Maskenpflicht bewegt hat, hat sich bislang als Einzelfall erwiesen – der geimpfte Besucher dürfte trotz einer Einstufung als K2-Kontaktperson angereist sein. Die Festspielleiter verurteilten das als verantwortungslos und baten um mehr Umsicht. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler erhielt für ihre letztmaligen Begrüßungsworte Standing Ovations. In ihren Begrüßungsworten erklärte sie noch einmal ihr vehementes Festhalten an einer Durchführung des Festivals im vergangenen Sommer während der Pandemie: "Wir konnten Corona nicht die Regie übernehmen lassen, das hätten wir vor den Gründervätern der Salzburger Festspiele und ihrem Grundgedanken nicht verantworten können."

Bei den Eröffnungsreden trat die Pandemie dann schon fast in den Hintergrund: Die Klimakrise und die großen gesellschaftlichen Entwicklungen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden von den Rednern analysiert.

Von links: Außenminister Alexander Schallenberg, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Europaministerin Karoline Edtstadler und Heiko von der Leyen in Salzburg.
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Klimakrise oberstes Thema

Bundespräsident Alexander Van der Bellen streute wie schon bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele erneut zahlreiche humorige Bemerkungen in seine Rede, wies aber mit ganzem Ernst auf die Dringlichkeit im Kampf gegen den Klimawandel hin: "Ich finde es falsch, Maßnahmen gegen die Klimakrise weiter hinauszuschieben und so zu tun, als würde die von selber vorbeigehen – das ist nicht normal, sondern fahrlässig. Denn: Das Zeitalter des Menschen ist drauf und dran, die kürzeste Epoche der Erdgeschichte zu werden, wenn wir die anthropogenen Treibhausgasemissionen nicht unter Kontrolle bringen."

Im Bezug auf die weitere Entwicklung der Pandemie fragte er: "Zu welcher Normalität? Ich sehe es nicht als Normalität, Wirtschaft, Soziales und Klimakrise gegeneinander auszuspielen." Am Montagabend wird Van der Bellen die Premiere der Neuproduktion von Mozarts "Don Giovanni" besuchen. Daraus zitierte er die Figur des Dieners Leporello, der nach dem Tod Don Giovannis beschließt, einen besseren Herren zu finden. Danach sollten auch wir streben, nur in Form einer besseren Normalität, regte der Bundespräsident an und erklärte die Salzburger Festspiele für eröffnet.

Der deutsche Philosoph Julian Nida-Rümelin hielt die Festrede.
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Zuvor hatte der Philosoph und frühere deutsche Kulturminister Julian Nida-Rümelin die traditionelle Eröffnungsgastrede gehalten und vor den großen Dystopien gewarnt, die uns seit einigen Jahren in den Bereichen Klima, Digitalisierung und Atomkraft vor Augen stehen würden. In seinem zwanzigminütigen und frei gehaltenen Vortrag erinnerte Nida-Rümelin erinnerte an Platon und dessen Vision, dem Einzelnen die Verantwortung in der Gesellschaft zu überlassen. "Schuld ist der Wählende, die Götter sind schuldlos", so Nida-Rümelin.

"Die Würde des Einzelnen ist unantastbar – dieser Satz ist nicht selbstverständlich, er ist eine Setzung und im Kern eine Utopie", sagte der Philosoph. In diesem Kern würde genau das stecken, was er als einen neuen "pragmatischen Utopismus" bezeichne, der auf kollektiven Fortschritt setze. Er warnte vor dem Verlust von Utopien und Visionen.

Dagegen helfe nur, demokratische Zivilkultur und Humanismus zu stärken: "Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit, sondern das Bewahren der Würde und des Respekts jedes Einzelnen." Er sehe den Handlungsspielraum von Einzelstaaten minimiert, man müsse sich auf ein kollektives Zusammenspiel einstellen. "Wer an etwas anderes glaubt, irrt leider", so Nida-Rümelin. Die Europäische Union sei für diese "kosmopolitische Perspektive" gebaut. Eine Botschaft, die sich auch in der Gründungsidee der Salzburger Festspiele wieder fände. (Stefan Weiss, red, APA, 25.7.2021)