"Schrecklich schön": Ausstellung zu Elfenbein.

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum / Martin Franken

Das Museumsquartier in Wien und das Humboldt Forum in Berlin haben so manches gemeinsam. In Gebäudestrukturen aus imperialer Zeit findet sich ein Mehrzweckangebot für einen möglichst großen Querschnitt an heutigen Stadtbenutzern. Vor eineinhalb Wochen eröffnete das Humboldt Forum in den Räumen des nach altem Vorbild neu errichteten Berliner Schlosses eine Reihe von Ausstellungen: etwas für Kinder (Nimm Platz!), etwas über den Markennamen (Einblicke vermittelt Historisches über die Brüder Humboldt, deren Forschergeist dem Haus als Inspiration dienen soll), etwas über den Ort (im Schlosskeller sind Spuren der Bebauung und Überarbeitung seit dem Mittelalter zu besichtigen).

Diese Zeitreise kann man auch anhand eines Videopanoramas nachvollziehen, oder man achtet beim Rundgang auf das Informationsangebot, das sich manchmal en passant findet und Momente aus der Geschichte des Schlosses akzentuiert – der Palast der Republik aus der DDR, den nicht wenige vermissen, bleibt so wenigstens als Zitat noch präsent, zum Beispiel mit den Piktogrammen von Klaus Wittkugel, der für das Staatsvolk der DDR, das sich in "seinem" Palast zu Hause fühlen sollte, ein ausgeklügeltes und grafisch ansprechendes Leitsystem entwickelt hatte.

Es sind aber vor allem drei Ausstellungen, die aus dieser Teileröffnung herausragen: Unter dem Titel Nach der Natur präsentiert sich die Humboldt-Universität mit einem Ort der Wissenschaftsvermittlung; das Stadtmuseum lädt mit Berlin global zu einem historischen Rundgang ein; und die erste Sonderausstellung heißt Schrecklich schön und beschäftigt sich mit Elfenbein als einem politisch, kulturell und ästhetisch aufgeladenen Rohstoff.

Charakterdiagramme und Elfenbein

Die Humboldt-Universität ist auch stadtgeografisch dem Schloss recht nahe, sie zählt zu den "Akteuren" des Humboldt Forums, wie Intendant Hartmut Dorgerloh die beteiligten Institutionen im STANDARD-Gespräch nannte. Nach der Natur präsentiert in einer gelungenen Ausstellungsarchitektur eine Vielzahl von Einstiegen in die Komplexität heutiger Wissenschaft – man kann von einzelnen Objekten immer wieder zu einer großen Videowand zurückkehren, auf der zusammenläuft, was in den Clustern alles erforscht wird.

Berlin global eröffnet mit einem spannenden Vierwandbild von How&Nosm und führt dann durch die Geschichte der Stadt in einer Inszenierung, die deutlich auf heutige Formen des Medienbezugs eingeht. Auf der Schwelle zu jedem neuen Raum muss man sich bei einem moralischen oder anderen Dilemma für eine von zwei Lösungen entscheiden, am Ende bekommt man dafür eine Art Charakterdiagramm ausgedruckt. Man kann sich gut vorstellen, dass das bei Schulklassen ankommt, groß ins Reflektieren wird man damit aber nicht kommen.

Die im Detail sehr sehenswerte und auch in der Inszenierung plausible Elfenbein-Ausstellung führt schließlich bereits zu den Fragestellungen, von denen dann der Herbst bestimmt sein wird: Auf die wichtigsten und auch umstrittensten Präsentationen der Staatlichen Museen zu Berlin mit ihren "außereuropäischen" Beständen muss man nämlich noch bis September warten. (Bert Rebhandl, 26.7.2021)