Grünen-Chef Werner Kogler richtet Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aus, dass er wohl "manchmal sogar von Betonköpfen" beraten würde.

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Die Zeiten, als Volkspartei und Grüne ihre Meinungsverschiedenheiten unter sich ausgemacht und nicht in die Öffentlichkeit getragen haben, sind vorbei. In einer Reihe von Sachfragen streiten die Koalitionsparteien mittlerweile coram publico.

Jüngstes Beispiel: das Informationsfreiheitsgesetz. Eigentlich waren sich Türkise und Grüne ja schon einig, wie genau die Abschaffung des Amtsgeheimnisses vor sich gehen soll. Anfang des Jahres wurde der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen verkündet. Diese hatten sich schon ordentlich verzögert: Eigentlich hätte das Paket, das allen Bürgerinnen und Bürgern ein Recht auf Information einräumen soll, schon im Sommer 2020 präsentiert werden sollen. Umso mehr freuten sich vor allem die Grünen darüber, endlich einen Gesetzestext in Händen zu halten – schließlich ist das Transparenzpaket ihr Leuchtturmprojekt. Es folgte die parlamentarische Begutachtung mit etlichen, teils kritischen Stellungnahmen.

"Edtstadler blockiert"

Doch noch immer ist der Gesetzesentwurf nicht in den Ministerrat gelangt. Den Grünen dürfte nun der Geduldsfaden reißen: "Edtstadler blockiert seit Monaten das Informationsfreiheitsgesetz, jetzt will sie wieder alles von vorne durchdenken", schrieb der grüne Abgeordnete David Stögmüller auf Twitter.

Im Büro von Ministerin Edtstadler (ÖVP) möchte man den Tweet nicht kommentieren, verweist aber auf das gute Einvernehmen in der Sache mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Der Gesetzesentwurf werde derzeit noch evaluiert, ein Datum für das Einbringen in den Ministerrat stehe noch nicht fest.

Ärger über eingestelltes Beratungsprojekt

Auch sozialpolitisch spießt es sich zwischen den Koalitionsparteien. Anlass dafür ist die Entscheidung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP-nominiert), ein Projekt für die muttersprachliche Beratung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Fällen von Lohn- und Sozialdumping nicht mehr zu fördern. Kocher begründete das mit Covid-bedingtem Sparzwang, es geht um 380.000 Euro.

Der grüne Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein ärgert sich im Gespräch mit dem STANDARD darüber: "Ich verstehe nicht, warum man das nicht weiterführen soll." Immerhin würde der Staat auch Geld einnehmen, wenn die Betroffenen in reguläre Arbeitsverhältnisse kämen: "Ich glaube, dass sich das durchaus gegenrechnen würde."

Kogler kritisiert Kurz

Eine weitere Eskalation gibt es auch im Klimastreit: Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat sich in der Debatte um die Klima- und Verkehrspolitik erstmals zu Wort gemeldet. Er attestiert Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview mit der Presse am Sonntag "altes Denken und Politik von gestern". Kurz hatte im Streit um den Bau einer Schnellstraße in Vorarlberg festgehalten, dass Klimaschutz seiner Ansicht nach nur mittels Innovation und Technologie, aber ohne Verzicht möglich sei – der Weg dürfe nicht in die Steinzeit führen.

"Das letzte Mal, dass ich mich an solche Töne aus dem Kanzleramt erinnern kann, ging es um Hainburg", sagt Kogler dazu. Er habe damals auch den Eindruck gehabt, dass Kanzler Fred Sinowatz (SPÖ) "von den falschen Leuten, manchmal sogar von Betonköpfen, beraten wurde", die Diktion sei jedenfalls "haarscharf die gleiche" gewesen. Vielleicht umgebe sich Kurz "zu viel mit Öl-Lobbyisten und Betonierern".

Auch in der Corona-Politik habe es Meinungsverschiedenheiten gegeben, offenbart Kogler in der Presse: Die Grünen hätten sich dafür ausgesprochen, bei der Pandemie erst ins "Eigenverantwortungsregime" zu wechseln, wenn alle die Möglichkeit hatten, sich zweimal impfen zu lassen. Das sei aber abseits der Öffentlichkeit ausdiskutiert worden. (Sebastian Fellner, 25.7.2021)