Die Zahl der militärischen Grenzgänger wird künftig spürbar erhöht. Die Regierung schickt zu den aktuell 1000 Soldaten zusätzlich weitere 400 Mann an den Rand von Österreich.

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Es wird grüner entlang der heimischen Grenzen. Die Regierung verschärft aufgrund offensichtlich steigender Flüchtlingszahlen den Grenzschutz und stockt die aktuell 1000 zum Assistenzeinsatz abbeorderten Soldaten um 400 Mann auf. Zu welchem Preis, ist allerdings noch völlig offen.

Abgerechnet wird nämlich erst am Schluss. "Es ist im Vorfeld schwer zu sagen, was die Aufstockung kosten wird", sagt Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, zum STANDARD. "Es gibt einfach offene Fragen: Wie sieht das Personal aus? Wie viele Grundwehrdiener werden eingesetzt, die natürlich dann billiger sind. Gibt es für die Unterkunft eine Kaserne? Dann wären in diesem Bereich die Kosten gleich null. Oder müssen Unterkünfte angemietet werden?"

Geld-zurück-Garantie

Im Verteidigungsministerium geht man jedenfalls davon aus, dass die Aufstockung kein zusätzliches Loch in den Regelbudget-Topf reißen wird. Bauer: "Wir bekommen die Kosten zu 100 Prozent ersetzt."

Der Optimismus auf olivgrüner Seite bekommt beim Blick auf die Abrechnung der letzten Jahre einen gehörigen Dämpfer. Im Vorjahr nahm nämlich der Rechnungshof den Assistenzeinsatz und die Unterstützungsleistungen des Bundesheers zum Grenzmanagement seit 2015 unter die Lupe – und stellte dabei erhebliche Mängel fest. So musste das Bundesheer die Kosten für die Assistenz- und Unterstützungsleistungen, die zwischen 2015 und 2017 rund 273 Millionen Euro betrugen, zu einem großen Teil aus dem jährlichen Regelbudget finanzieren, weil Innen- und Finanzministerium nur teilweise für die Kosten aufkamen.

Kritik vom Rechnungshof

Das Verteidigungsministerium erhielt für die Assistenz- und Unterstützungsleistungen nur 90,42 Millionen Euro budgetwirksam ersetzt, stellt der Rechnungshof in seinem Bericht fest. Und empfahl dem Innen- und dem Verteidigungsministerium, eine "gesamthafte und umfassende Evaluierung der Wirkungen und des Nutzens des Assistenzeinsatzes zum Grenzmanagement im Verhältnis zu den eingesetzten Ressourcen" vorzunehmen.

Im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 kamen im Durchschnitt rund 131.500 Flüchtlinge pro Monat nach Österreich. Ab dem Frühjahr 2016 gab es einen deutlichen Rückgang. 2015 erreichten insgesamt 736.247 Flüchtlinge Österreich, 2016 nur noch 153.068. Und die Zahlen sanken weiter auf 27.950 im Jahr 2017 und 10.300 im ersten Halbjahr 2018. Trotz sinkender Zahlen wurde der Assistenzeinsatz mit rund 900 Soldaten weiter aufrechterhalten.

"Weder das Verteidigungsministerium noch das Innenministerium führte eine gesamthafte Evaluierung des Assistenzeinsatzes – im Hinblick auf Wirkungen und Nutzen einerseits und Ressourceneinsatz andererseits – durch. Dies, obwohl die Zahlen der Aufgriffe deutlich zurückgingen", kritisierte der Rechnungshof damals.

Vermehrt Aufgriffe

Offen ist, ob es diese dringend eingeforderte Evaluierung je gegeben hat. Die aktuelle Personalaufstockung an der Grenze begründet Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) jedenfalls erneut mit den steigenden Zugriffszahlen "illegaler Migranten" und mit EU-Asylrichtlinien, "die keine Wirkung zeigen". Heuer habe es bereits 15.768 Aufgriffe gegeben, im Vorjahr 21.700, so Nehammer – das EU-Asylsystem sei "gescheitert".

Grüne für Befristung

Besonders die Grenze zu Ungarn sei ein Hotspot für illegale Grenzübertritte, heuer seien bereits 200 Schlepper aufgegriffen worden, hieß es seitens des Innenministers, der scharfe Kritik an den Asylrichtlinien der EU übte: "Wir bekommen keine Unterstützung vonseiten der EU-Kommission, die sich damit aufhält, über Verteilungsfragen von Flüchtlingen zu debattieren."

Vom Regierungspartner kommt jedenfalls kein grünes Licht für die Aufstockung. "Wir Grüne stehen einem derartig langen und unbefristeten Assistenzeinsatz kritisch gegenüber", stellt Wehrsprecher David Stögmüller im STANDARD-Gespräch klar. Es fehle eine "gesamthafte Evaluierung" des Assistenzeinsatzes. Stögmüller: "Einsätze des Bundesheers sind wesentlich teurer für die Steuerzahler, als würde es die Polizei selber durchführen."

Stögmüller: Geld fehlt für Investitionen

Das Bundesheer müsse hier "abermals auf eigene Kosten, wie der Rechnungshofbericht aufzeigt, für die Versäumnisse des Innenministeriums einspringen". Das Geld fehle dann für dringend notwendige Investitionen oder für die Ausrüstung der Truppe, so Stögmüller.

Laut Ministeriumssprecher Bauer befinden sich aktuell 1000 Soldaten im Grenzeinsatz, rund 230 im Bereich der Botschaftsbewachungen, etwa 350 im Covid-Einsatz, und 134 sind bei Katastrophenhilfen im Inland im Einsatz. Im Ausland befänden sich derzeit 850 Soldaten. (Markus Rohrhofer, 26.7.2021)