Neo-Trainer Russ: "Wir spielen mehr in die Tiefe."

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Neo-Hartberger Sonnleitner bleibt irgendwie ein ewiger Rapidler.

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Der 34-jährige Mario Sonnleitner hat am Samstagabend im Dress des TSV Hartberg die Erfahrung gemacht, dass es überhaupt nicht schwierig ist, ein Fußballspiel gegen Rapid zu gewinnen. Okay, anfangs hatte der Innenverteidiger leichte Probleme, er war ja elf Jahre für die Hütteldorfer tätig. "Ich musste darauf achten, dass ich zu keinem Rapidler passe." Hätte er es gemacht, wäre vermutlich nichts passiert, weil zumindest an diesem Tag der Ball für seine Ex-Kollegen ein Fremdkörper, ein Feind der Füße, war.

Sonnleitner durchlebte ein Wechselbad der Gefühle. Während des Aufwärmens wurde auf der Vidiwall im Allianz Stadion ein Zusammenschnitt seiner Taten gezeigt, "Ich konnte nicht hinschauen." Nach Abpfiff, als das 2:0 der Hartberger feststand, wurde er vom Block West minutenlang mit Sprechchören bedacht. "Ich war gerührt." Sogar sein Trainer Kurt Russ unterdrückte angesichts dieser Szenen Tränen. "Wie ich aufgehört habe, hat niemand gesungen, ich war jedem wurscht." Wobei der 56-Jährige darauf Wert legte, "dass ich dem Sonni das vergönne".

"Schöner geht es nicht"

Russ feierte ein spektakuläres Debüt als Cheftrainer in der Bundesliga. "Schöner geht es nicht." Sein ehemaliger Vorgesetzter Markus Schopp wechselte ja zu Barnsley nach England, der Assistent rückte nach. Hartberg ist bekannt für familiäre Lösungen, Präsidentin Brigitte Annerl ist Garantin für das kollektive Wohlbefinden. Russ hat Details verändert. "Wir spielen mehr in die Tiefe." Das Gemeinsame sei entscheidend. "Man muss Spaß bei der Arbeit haben." Es sei gar nicht unangenehm, "dass der Kader klein gehalten ist. So kommt jeder dran, jeder darf sich freuen." Dario Tadic freute sich über zwei Treffer.

Sonnleitner kann gut damit leben, nun auf einer kleineren Bühne tätig zu. "Egal, ob 100 oder 20.000 Zuschauer, ich gebe immer alles, weil ich Fußball liebe." Russ lobte den Neuzugang. "Bei der ersten Kontaktaufnahme habe ich bemerkt, der Mensch brennt."

Neue Erkenntnis

Rapids Trainer Didi Kühbauer war brennheiß, er hätte gerne einen größeren Kader, zumal Srdjan Grahovac einen offenen Nasenbeinbruch erlitten hat und wochenlang ausfällt. Kühbauer sprach von einer "indiskutablen Leistung. So kannte ich meine Mannschaft nicht. Fußball ist ein Zweikampf- und Laufsport, wir waren sehr träge." Beruhigend mag sein, dass Luft nach unten nahezu denkunmöglich scheint. Kühbauer lehnte es ab, ausführlich über den VAR, den Videoschiedsrichter, zu diskutieren. Auch Russ hätte den Elfer (eine Art Handspiel von Kevin Wimmer), der zum 2:0 führte, nicht gegeben. Und er hätte sich nicht groß aufgeregt, wäre David Stec in der 32. Minute nach einem groben Foul an Lion Schuster ausgeschlossen worden. Der VAR beließ es bei einer Gelben Karte. Kühbauer: "Es ist lieb, dass man den VAR hat, aber man hat gesehen, dass noch immer Menschen am Werk sind. Das Gute ist, dass die Niederlage trotzdem verdient war."

Am Mittwoch kommt es in Prag zum Rückspiel in der Champions-League-Quali gegen Sparta. Rapid führt 2:1, die Auswärtstorregel ist abgeschafft. Kühbauer hofft, dass Hartberg ein "einmaliger Ausrutscher", ein "Schuss vor den Bug" war. "Mit so einer Leistung können wir in Prag nach 15 Minuten die Geigen packen." Ad Ausgangslage: "Steigen wir auf, haben wir eine gute Reaktion gezeigt. Scheiden wir aus, haben wir die Krise." Kühbauer bevorzugt die erste Variante. In der Bundesliga muss am Samstag zum LASK gereist werden. Sparta schlug übrigens Olmütz 3:2. Hartberg setzt daheim gegen Altach fort. Russ: "Das wird nicht leichter, sondern schwieriger." Mario Sonnleitner war gerührt. "Wir dürfen uns nicht so klein machen." Er meinte Hartberg. Und nicht Rapid. (Christian Hackl, 25.7.2021)