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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bei einer Konferenz in Budapest.

Foto: Reuters/Bernadett Szabo

Natürlich war der diesjährige Budapest Pride March mit rund 30.000 Teilnehmenden erst einmal ein großer Erfolg für die Veranstalter, für die LGBTQI-Szene in Ungarn und deren Unterstützerinnen und Unterstützer im In- und Ausland. Ein Erfolg, zu dem sich heuer wohl auch viel Erleichterung gesellte – hatte man im Vorfeld doch Störmanöver, Provokationen, ja sogar Unruhen befürchten müssen.

Selten wurden wie an diesem hochsommerlichen Samstag in der ungarischen Hauptstadt die pluralistischen Anliegen dieser Menschen sichtbar gemacht. Selten konnten sie sich wie an diesem Tag stark wähnen, sich feiern – und feiern lassen. Für einen gewissen Schutz, so könnte man meinen, sorgten die zahlreichen internationalen Gäste und Medien, die das Geschehen in der Stadt genau beobachteten.

Internationale Schaubühne

Doch gerade diese internationale Schaubühne hat indirekt auch Ungarns in der EU umstrittener Premier Viktor Orbán für sich genützt – es kommt eben auf den Betrachtungswinkel an. Indem er es gar nicht erst zuließ, dass es zu Behinderungen, unschönen oder gar gewalttätigen Szenen kam, kann er nun behaupten, dass jede Sorge unbegründet sei: Ungarn sei und bleibe eine ganz normale Demokratie europäischen Zuschnitts; ein Land mit teilweise rigideren Gesetzen als anderswo, das aber auch Meinungsfreiheit zulässt – solange nicht das Machtgefüge gestört wird. Man kennt das von ihm.

Plötzlich Liberaler?

Mag sein, dass diese Argumentation auch in Kreisen, die über Orbáns Kernwählerschaft hinausgehen, gut ankommt. Doch bloß weil er eine anderswo in Europa völlig zeitgemäße Großdemo zulässt, ohne direkt querzuschießen, macht das aus ihm nicht plötzlich einen Liberalen. Sobald die Welt wieder woanders hinschaut, wird er seine diskriminierende Politik gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden wohl weiter verschärfen – denn nur so kann er hoffen, auch nach den Wahlen 2022 an der Macht zu bleiben. (Gianluca Wallisch, 26.7.2021)