Hält man unser Sonnensystem für einigermaßen typisch für die Milchstraße, dann ist es nicht abwegig anzunehmen, dass auch ferne Exoplaneten von Monden umkreist werden. Tatsächlich haben Astronomen mehr als ein Dutzend mögliche Kandidaten für sogenannte Exomonde identifiziert. Definitiv bestätigt wurde allerdings bisher noch keiner, wenngleich in einzelnen Fällen die Indizien schon recht überzeugend wirken.

Zwar kein Exomond, aber die Vorstufe davon wurde nun mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) in einem fast 400 Lichtjahre entfernten Sternsystem entdeckt: Astronomen haben zum ersten Mal eindeutig eine Scheibe um einen Exoplaneten nachgewiesen. Die Beobachtungen könnten neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Monde und Planeten in jungen Planetensystemen bilden.

Beobachtung in exzellenter Auflösung

"Unsere Arbeit stellt einen klaren Nachweis einer Scheibe dar, in der sich natürliche Trabanten bilden könnten", sagt Myriam Benisty, Forscherin an der Universität von Grenoble, Frankreich, und an der Universität von Chile. Sie leitete die neue Studie, die nun in den "Astrophysical Journal Letters" veröffentlicht wurde. "Unsere ALMA-Beobachtungen wurden mit einer so exzellenten Auflösung gewonnen, dass wir klar erkennen konnten, dass die Scheibe mit dem Planeten assoziiert ist. Zudem sind wir in der Lage, ihre Größe zum ersten Mal einzugrenzen", fügt sie hinzu.

Das mit ALMA aufgenommene Bild (links) zeigt den Stern PDS 70, der von einer großen Gas- und Staubscheibe umringt ist. Im vergrößerten Detailbild ist der riesige Exoplanet PDS 70c zu sehen, wiederum umgeben von einer zirkumplanetaren Scheibe, aus der mehrere Monde hervorgehen könnten.
Fotos: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Benisty et al.

Die genannte zirkumplanetare Scheibe umgibt den Exoplaneten PDS 70c, einen von zwei riesigen, Jupiter-ähnlichen Planeten, der einen sehr jungen Stern umkreist. Astronomen hatten schon früher Hinweise auf eine "mondbildende" Scheibe um diesen Exoplaneten gefunden. Da sie die Scheibe aber nicht eindeutig von ihrer Umgebung unterscheiden konnten, konnten sie ihren Nachweis bisher nicht bestätigen.

Material für drei größere Monde

Außerdem fanden Benisty und ihr Team mit Hilfe von ALMA heraus, dass die Scheibe etwa den gleichen Durchmesser hat wie die Entfernung von unserer Sonne zur Erde (das ist etwa 500-mal größer ist als die Ringe des Saturns) und genug Masse, um bis zu drei natürliche Satelliten von der Größe unseres Mondes zu bilden.

Doch die Ergebnisse sind nicht nur entscheidend, um die Entstehung von Monden zu ergründen. "Diese neuen Beobachtungen sind auch extrem wichtig, um Theorien über die Planetenentstehung zu überprüfen, die bisher nicht getestet werden konnten", sagt Jaehan Bae, ein Forscher vom Earth and Planets Laboratory der Carnegie Institution for Science, USA, und Autor der Studie.

Planeten- und Mond-Geburten mit Fragezeichen

Planeten bilden sich in staubhaltigen Scheiben um junge Sterne und graben Lücken hinein, während sie Material aus dieser zirkumstellaren Scheibe für ihr Wachstum aufzehren. In diesem Prozess kann ein Planet seine eigene zirkumplanetare Scheibe entwickeln. Diese Scheibe trägt zum Wachstum des Planeten bei, während sie die Menge an Material reguliert, die auf den Planeten fällt. Gleichzeitig können sich das Gas und der Staub in der zirkumplanetaren Scheibe durch mehrfache Kollisionen zu immer größeren Gebilden verdichten, was schließlich zur Geburt von Monden führt.

Doch die Astronomen verstehen die Details dieser Prozesse noch nicht vollständig. "Kurz gesagt, es ist immer noch unklar, wann, wo und wie sich Planeten und Monde bilden", erklärt ESO Research Fellow Stefano Facchini, der ebenfalls an der Forschung beteiligt war.

Video: Blick auf eine ferne mondbildende Scheibe.
European Southern Observatory (ESO)

Einzigartige Gelegenheit

"Mehr als 4000 Exoplaneten wurden bisher gefunden, aber alle von ihnen wurden in entwickelten Systemen entdeckt. PDS 70b und PDS 70c, die ein System bilden, das an das Jupiter-Saturn-Paar erinnert, sind die einzigen beiden bisher entdeckten Exoplaneten, die sich noch im Entstehungsprozess befinden", erklärt Miriam Keppler, Forscherin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland und eine der Koautoren der Studie.

"Dieses System bietet uns daher eine einzigartige Möglichkeit, die Prozesse der Entstehung von Planeten und natürlichen Satelliten zu beobachten und zu studieren", meint Facchini. PDS 70b und PDS 70c wurden erstmals 2018 bzw. 2019 mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO entdeckt und sind aufgrund ihrer Einzigartigkeit seither vielfach mit anderen Teleskopen und Instrumenten beobachtet worden.

ELT könnte mehr Einblicke liefern

Die jüngsten hochauflösenden ALMA-Beobachtungen haben es den Astronomen nun ermöglicht, weitere Erkenntnisse über das System zu gewinnen. Sie bestätigten dabei nicht nur den Nachweis der zirkumplanetaren Scheibe um PDS 70c und untersuchten deren Größe und Masse. Sie fanden auch heraus, dass PDS 70b keine eindeutigen Hinweise auf eine solche Scheibe zeigt, was darauf hindeutet, dass ihm PDS 70c das Staubmaterial aus seiner Geburtsumgebung entzogen hat.

Noch mehr über das Sternsystem wollen die Forscher mit dem Extremely Large Telescope (ELT) der ESO herausfinden, das derzeit auf dem Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird. "Das ELT wird der Schlüssel für diese Forschung sein, da es uns mit seiner viel höheren Auflösung ermöglichen wird, das System sehr detailliert zu kartieren", sagt Koautor Richard Teague, Forscher am Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, USA. Insbesondere wird das Team mit dem Mittelinfrarot-ELT-Imager und -Spektrografen (METIS) des ELT die Gasbewegungen um PDS 70c untersuchen können, um ein vollständiges 3D-Bild des Systems zu erhalten. (red, 26.7.2021)