Der Ressourcenabbau hat in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter zugenommen. Einige Kohlekraftwerke, wie etwa in Deutschland, sollen nun schrittweise abgeschaltet werden.

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Fast 50 Jahre ist es her, seit mehr als ein Dutzend Wissenschafter und Wissenschafterinnen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein düsteres Szenario aufstellten: Wenn wir weiter so lebten und wirtschafteten wie bisher, werde unser globales System Mitte bis Ende des 21. Jahrhunderts zusammenbrechen. Schuld daran seien unter anderem die Industrialisierung, die Ausbeutung von Rohstoffen, das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und die Umweltzerstörung.

Die Studie aus dem Jahr 1972, die den Namen "Die Grenzen des Wachstums" trug und von der Organisation Club of Rome in Auftrag gegeben wurde, hatte es an Sprengkraft in sich: Sie trug zu heftigen Diskussionen und Kontroversen und zum Aufstieg von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Earth First! bei. Mehr als 30 Millionen Exemplare des Buches zum Bericht wurden seither verkauft. Ungeachtet dessen wuchs die Wirtschaft, gemessen am realen Bruttoweltprodukt, laut Weltbank seit damals von 21 Billionen US-Dollar auf mehr als 80 Billionen US-Dollar im Jahr 2020 an. Und auch für die nächsten Jahrzehnte prophezeien Experten einen weiteren Wachstumspfad.

Zusammenbruch bis 2040

Sollte uns die Prophezeiung aus 1972 trotzdem kümmern? "Ja", lautete etwa die verkürzte Antwort in einer kürzlich erschienenen Studie, welche Daten zu Bevölkerungswachstum, Produktion, Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung, menschliches Wohlergehen und den ökologischen Fußabdruck von damals mit jenen von heute verglich. Das Ergebnis der Studie: Wenn unser Wirtschaftssystem auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beim Status quo bleibt, also weiterhin Wachstum als oberstes Ziel setze, würde das dazu führen, dass es im schlimmsten Fall rund um das Jahr 2040 zu einem Zusammenbruch des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems kommt – ähnlich, wie es der Club-of-Rome-Bericht prognostizierte.

Das bedeute laut der holländischen Nachhaltigkeitsforscherin und Studienautorin Gaya Herrington zwar nicht, dass die Menschheit dann am Rande des Abgrunds steht – aber es würde dazu führen, dass ab 2040 die Bevölkerung zurückgeht und der Lebensstandard und die Produktion von Lebensmitteln und anderen Gütern deutlich sinken.

Natürliche Grenzen

Stößt unsere Art zu wirtschaften also bald an ihre Grenzen, hat sie diese gar schon längst überschritten? Das Argument scheint durchaus plausibel: Ein Planet, auf dem es nur eine gewisse Menge an Ressourcen gibt, kann nicht immer mehr Menschen mit Nahrung, Produkten und Energie versorgen. Besonders dort, wo Wachstum exponentiell ist, müssen natürliche Grenzen von Umwelt, Natur und Bevölkerung schnell erreicht sein.

Zu bestätigen scheint die These eine Vielzahl aktueller Katastrophen, wie die Überschwemmungen in Deutschland, die Brände in den USA, Sibirien und Italien und die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes, welcher laut einer Studie bereits mehr CO2 ausstößt, als er absorbiert. Auch der sogenannte Earth Overshoot Day oder Welterschöpfungstag, der angibt, ab welchem Tag wir mehr natürliche Ressourcen verbrauchen, als nachwachsen können, ist in diesem Jahr mit dem 29. Juli wieder so früh wie kaum zuvor. Anders ausgedrückt: Unser globales Wirtschaftssystem lebt derzeit auf Kosten von 1,7 Erden.

Innovationen vorantreiben

Ist die Lösung im Kampf gegen Klimawandel, Umweltzerstörung oder soziale Ungleichheit also nicht mehr, sondern weniger Wachstum? Viele Wirtschaftswissenschafter und Wirtschaftswissenschafterinnen kritisieren diese Sichtweise. Laut diesen werde in den Berechnungen der Wachstumskritiker zu wenig berücksichtigt, welche Rolle die Technologie, etwa bei der Nutzung von Ressourcen oder beim Klimawandel, spielt beziehungsweise spielen kann. Wächst die Wirtschaft und damit die Zahl an Innovationen, könne damit auch am besten der Umweltzerstörung und dem Klimawandel entgegengewirkt werden. Eines Tages könnten sich Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch völlig voneinander entkoppeln lassen, so das Argument.

Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass Wirtschaftswachstum zwar zunächst zu einer Verschlechterung der Umwelt führt, ab einem bestimmten Punkt aber dazu beiträgt, diese wieder besser zu schützen. Anders ausgedrückt: Wachsen Wohlstand und technische Möglichkeiten in einer Gesellschaft, kann das dazu führen, dass Luft, Flüsse und Wälder wieder sauberer und weniger Emissionen ausgestoßen werden. Allerdings scheint dies noch nicht auf den gesamten Ressourcen- oder Energieverbrauch von wohlhabenden Nationen zuzutreffen, wie aktuelle Daten zeigen.

Verteilungsproblem

Dass nicht alle Prognosen auch so eintreten müssen, hat sich laut Kritikerinnen und Kritikern bereits im "Die Grenzen des Wachstums"- Bericht von 1972 gezeigt: Darin hieß es unter anderem auch, dass bereits in den folgenden Jahrzehnten der Erdölvorrat aufgebraucht sein könnte.

Stattdessen besteht das Problem heute weniger darin, dass es zu wenige Ressourcen wie beispielsweise Erdöl auf dem Planeten gibt, als darin, dass zu viele dieser Ressourcen abgebaut werden und damit den Klimawandel und die Umweltzerstörung vorantreiben. Auch Nahrungsmittel können genügend produziert werden, werden laut vielen Experten allerdings zu häufig weggeworfen und sind global ungleich verteilt.

Raum für Veränderungen

Technologischer Fortschritt allein sei jedenfalls nicht genug, um als Gesellschaft den derzeitigen Kurs Richtung Kollaps zu verändern, heißt es in der eingangs erwähnten Studie. Denn dieser Fortschritt habe in der Vergangenheit zwar zu mehr Effizienz, gleichzeitig aber auch zu mehr Emissionen geführt. Stattdessen plädiert Studienautorin Herrington wie bereits die britische Ökonomin Kate Raworth dafür, agnostisch im Umgang mit Wachstum zu sein. Demnach sollten wir uns lieber auf andere wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele konzentrieren und beispielsweise mehr in das Allgemeinwohl investieren.

Als Vorlage für viele dient die von Kate Rawoth entworfene Donut-Ökonomie. Diese besagt, dass wirtschaftliches Handeln der Form eines Donuts entsprechen sollte: außen durch den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt begrenzt, innen durch soziale Grenzen wie Gesundheit und Bildung. Seit 2020 wird das Modell in Amsterdam angewandt, in den nächsten Jahren sollen dort erneuerbare Energien großflächig ausgebaut werden und eine funktionierende Kreislaufwirtschaft entstehen. Allerdings bleibt laut Studie für eine wirtschaftliche Transformation auf globaler Ebene nicht mehr viel Zeit. Die nächsten zehn Jahre seien maßgebend für die Entwicklung des gesamte Jahrhunderts. (Jakob Pallinger, 29.8.2021)