Der Pflegebereich leidet unter einem massiven Fachkräftemangel. Um diesen zu decken, reichen neue Bildungsangebote kaum aus.

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Der Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal ist hoch. Schon vor der Corona-Pandemie wurde händeringend nach Fachkräften gesucht. Besonders die Altenbetreuung und -pflege steht vor großen Herausforderungen. So könnten beispielsweise in Oberösterreich schon jetzt einige hundert Plätze in Altenpflegeeinrichtungen nicht belegt werden, weil es nicht genügend Pflegepersonal dafür gebe, heißt es in einer Aussendung der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich. Die AK Oberösterreich geht davon aus, dass bis zum Jahr 2025 allein in der Langzeitpflege zusätzlich 1600 Vollzeitarbeitskräfte in Oberösterreich gebraucht werden, um den steigenden Bedarf und die bevorstehende Pensionierungswelle abdecken zu können.

Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, aber auch um pflegende Angehörige zu entlasten, wurde vor gut einem Jahr im Gesundheitsministerium die Taskforce Pflege eingerichtet. Passiert sei seither aber wenig, kritisiert das Hilfswerk Österreich, einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich.

Vor allem bei der Lösung der Personalproblematik sei, so das Hilfswerk, noch zu wenig weitergegangen. Zwar gibt es bereits neue Ausbildungsmöglichkeiten, und zusätzliche Bildungswege in den Pflegebereich wurden entwickelt. Seit dem vergangenen Schuljahr gibt es beispielsweise den Schulversuch zur Pflegeausbildung an berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sowohl mit dreijähriger als auch mit fünfjähriger Dauer.

Neue Wege

An den insgesamt neun am Schulversuch teilnehmenden Schulen haben 213 Schülerinnen und Schüler begonnen, knapp die Hälfte davon hat die fünfjährige Ausbildung mit Maturaabschluss gewählt. Diese Absolventen stehen dem Pflegebereich frühestens in vier Jahren zur Verfügung. Um Quereinsteiger zu finden, läuft beim Arbeitsmarktservice (AMS) Wien seit April ein Pflege-Screening für Arbeitssuchende. Das Hilfswerk begrüßt diese Möglichkeiten – um den Personalbedarf langfristig decken zu können, würden diese Maßnahmen aber nicht ausreichen.

Neben der Personalfrage gebe es eine Vielzahl weiterer brachliegender Aufgaben. Vor allem Menschen, die zu Hause – oft von Angehörigen – betreut und gepflegt werden, würden darunter leiden. Auch eine aktuelle Umfrage der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt, dass gerade hier großer Handlungsbedarf besteht.

Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifes im Auftrag der AK Oberösterreich zeigt, dass sich fünf von zehn oberösterreichischen Arbeitnehmern mehr öffentliche Investitionen in Pflege und Gesundheit und auch mehr professionelle Unterstützung bei der Pflege und Betreuung älterer Angehöriger wünschen. In Österreich sind schätzungsweise 950.000 Personen – oft neben Berufstätigkeit und Kinderbetreuung – pflegende Angehörige. Die damit verbundene Belastung ist für viele enorm.

Mehr Unterstützung

Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel Dänemarks, wo seit 1987 keine Pflegeheime mehr gebaut werden. Stattdessen bekommen alle Einwohner ab 75 Jahren präventive Hausbesuche, den Senioren werden breite Angebote an Alltagsunterstützung zu Hause sowie ausreichend Seniorenwohnungen und Pflegewohnungen geboten. Pflegebedürftige Menschen haben Anspruch auf täglich bis zu sechs Stunden Heimhilfe sowie auf ergänzende Hauskrankenpflege. "Das wäre nicht nur volkswirtschaftlich sinnvoll, es würde vor allem dem Wunsch der überwältigenden Mehrheit der Betroffenen und Angehörigen entsprechen", so Anselm.

Anfang Juli wurden als weitere Maßnahme im Pflegebereich die rechtlichen Grundlagen zur Förderung sogenannter Community-Nurses als Beratungs- und Unterstützungsangebot für Pflegebedürftige und ihre Angehörige geschaffen. Von den Pflegeorganisationen wird diese Möglichkeit begrüßt. Laut Regierungsplänen sollen bis 2025 österreichweit 150 Community-Nurses tätig sein. Laut den Pflegeorganisationen sei hier besonders wichtig, dass diese in das bestehende Versorgungssystem integriert und keine Parallelstrukturen aufgezogen werden.

Investitionen in Pflege und Gesundheit dürfen aber nicht als reiner Kostenfaktor betrachtet werden. Laut einer aktuellen Berechnung des Instituts für Höhere Studien (IHS) stehen jedem Euro Investition in die Pflege 1,7 Euro an Wertschöpfung gegenüber. Die Gemeinden können diese Investitionen aber nicht stemmen. Sie seien bei der Pflegefinanzierung bereits an der Belastungsgrenze, heißt es dazu von der Arbeiterkammer OÖ. (ost, 27.7.2021)