Der erfolgreiche Jungfernflug des französischen Erfinders Henri Giffard anno 1852 ließ eine neue Ära der Luftfahrt beginnen. Zeppeline trugen Menschen und Frachten über weite Distanzen durch den Himmel. Zur Hochzeit der Technologie sogar "über den Teich" – von Europa nach Amerika. Der Erfolgslauf sollte 1937 ein jähes Ende finden. Das deutsche Luftschiff LZ 129, besser bekannt als Hindenburg, ging bei der Landung in Flammen auf. Damit verpuffte nicht nur ein Prestigeprojekt von Nazideutschland, auch 35 Menschen an Bord und ein Mitglied der Bodencrew fanden ihren Tod.

Der Absturz der Hindenburg war zahlenmäßig dabei gar nicht das bis dahin größte Luftschiffunglück, aber eines von erheblicher politischer Bedeutung und vor allem großer medialer Resonanz. Zeppeline wurden zur Randerscheinung. In den kommenden Jahren könnte nun ihr Comeback eingeleitet werden, berichtet "1E9".

Eine hochskalierte, kolorierte und mit dem damaligen Radio-Livekommentar unterlegte Aufzeichnung des Hindenburg-Desasters.
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Umweltfreundliche Alternative zur Flugzeug-Kurzstrecke

Gleich mehrere Firmen arbeiten daran, die Kolosse der Luft wieder näher an den Mainstream zu bringen. Eines davon ist das britische Unternehmen Hybrid Air Vehicles (HAV). Eigentlich arbeitete man an einem Aufklärungszeppelin für das Militär, der sowohl durch Edelgas als auch von Propellern Auftrieb bekommen sollte und auf eine Hülle mit modernen Materialien wie Vectran und Kevlar setzt.

Obwohl der Jungfernflug mit einem Prototyp glückte, brach die Armee die Arbeiten ab. Unter dem Namen Airlander 10 wurde das Konzept seitdem für die zivile Nutzung geändert. Am Ende soll das Luftschiff bis zu 100 Personen und Fracht mit bis zu 100 Tonnen Gewicht aufnehmen und bis zu 7.400 Kilometer weit bringen können. HAV schwebt ein Einsatz auf Strecken vor, die derzeit noch als Kurzstrecke von Flugzeugen bedient werden. Die Reisezeit würde sich damit zwar verfünffachen, der CO2-Fußabdruck aber – trotz Dieselmotors – auf weniger als ein Zehntel reduzieren, rechnet man vor. Einen flugfähigen Prototyp gibt es bereits, die ersten Serienmodelle sollen 2025 fertig sein. Geplant ist auch ein rein elektrisch betriebenes Modell.

Ein "Ufo" für Sibirien

Einen etwas anderen Markt visiert die israelische Firma Atlas LTA an. Neben dem Einsatz zur Aufklärung und Lastentransport mit ähnlichen Dimensionen, wie sie der HAV Airlander besitzt, arbeitet man hier auch an Luftschiffen für touristische Flüge. Per Hybrid- oder Elektroantrieb sollen spätestens 2029 bis zu 24 Passagiere in verschiedenen Atlas-Zeppelinen unterwegs sein, um auf diese Weise etwa Städterundflüge zu genießen. Das erste Luftschiff will man bereits 2023 fertigstellen.

Sightseeing-Flüge per Zeppelin werden mancherorts auch schon kommerziell Angeboten. Ein Beispiel dafür ist die Firma Zeppelin NT, die in Deutschland und Österreich tätig ist und unter anderem Bodensee-Rundflüge veranstaltet.

Studio Bonn

In Russland verfolgt hingegen das Airship Initiative Design Bureau ehrgeizige Pläne. Unter dem Namen Aerosmena entwickelt man ein Luftschiff, das sich schon optisch deutlich vom typischen Design mit dem länglichen Ballonkörper unterscheidet. Die Konstruktion des Flugvehikels erinnert am ehesten an die typische Vorstellung eines Außerirdischen-Ufos, es sieht aus wie eine Untertasse.

Von dieser Form verspricht man sich eine einfachere Ballastverteilung bei trotzdem recht hoher Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h und Tauglichkeit für den Einsatz in klimatisch heraufordernden Gebieten wie Sibirien. Die künftige Flotte soll aus Modellen unterschiedlicher Größenordnung bestehen, ausgelegt auf Transportkapazitäten zwischen 20 und stolzen 600 Tonnen Gewicht. Man hofft, 2024 oder 2025 abheben zu können.

Atlas LTA Advanced Technology

Eine Frage der Notwendigkeit

Zu diesen Firmen kommen weitere hinzu. In Frankreich wird bei Flying Whales an neuen Luftschiffen gebaut. Und weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit operiert in den USA die Firma LTA Research, zu deren Financiers auch Google-Mitgründer Sergej Brin zählt.

In Sachen Geschwindigkeit können heutige und künftige Zeppeline bereits mit Frachtschiffen mithalten. Beim Personentransport verlieren sie das Rennen aber klar gegen Flugzeuge. Gerade in Zeiten, in denen das Bewusstsein für die Gefahr des Klimawandels wächst, könnten sich Zeppeline schon allein aus schierer Notwendigkeit etablieren – zumindest so lange, bis die noch in den Kinderschuhen steckenden elektrischen Flugzeuge konkurrenzfähig werden.

Aero Crat

Erinnerung an Cargolifter

Die Entscheidung über Gedeih oder Verderb setzt allerdings auch unternehmerisches Geschick sowie Risikobereitschaft seitens von Politik und Investoren voraus, den teilweisen Abschied von Flugzeugen und Hubschraubern zu wagen. Was passieren kann, wenn dieser Wille fehlt, zeigte vor rund 20 Jahren das Beispiel Cargolifter.

Das 1996 in Berlin gegründete Unternehmen wollte mit Lastenzeppelinen für Frachten von bis zu 160 Tonnen hoch hinaus. Managementfehler und immer wieder steigende Kosten bei der Entwicklung führten 2002, gerade einmal zwei Jahre nach dem Börsengang und der Fertigstellung einer riesigen Werfthalle, zum Versiegen der Gelder aus der öffentlichen Hand und in ein jahrelanges Insolvenzverfahren. Die Halle wurde an den malaysischen Konzern Tanjong veräußert, der Ende 2004 darin den Wasser- und Freizeitpark Tropical Islands eröffnete, der bis heute in Betrieb ist. (gpi, 27.7.2021)