Im Friseursalon, in Krankenhäusern und in Schulen kommen die Leute zusammen – in Zeiten der Pandemie oft näher als gewünscht. Die Bioethikkommission kann sich daher eine Impfpflicht in diesen Bereichen vorstellen.

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Für Impfverweigerer könnte es in den nächsten Monaten ungemütlich werden. Zumindest dann, wenn sie bestimmten Berufsgruppen angehören. Sollten sich Gesundheitspersonal und Pflegerinnen und Pfleger nicht von selbst zu einem Stich entschließen, könnte, zumindest theoretisch, durch Vorschriften nachgeholfen werden.

Denn wenn es nach der Bioethikkommission geht, wäre eine solche Pflicht gerechtfertigt. Die Kommission erarbeitet Empfehlungen für das Bundeskanzleramt – nicht nur, aber auch in Bezug auf Corona. "Das Gesundheitspersonal hat eine besondere Verantwortung", argumentiert deren Vorsitzende Christiane Druml im STANDARD-Interview. "Ich kann den Betrieb nur dann aufrechterhalten, wenn möglichst alle geschützt sind. Selbst ein kleiner Teil, der nicht gegen Corona geschützt ist, beeinträchtigt den normalen Betrieb schwer." Zudem habe die jeweilige Krankenanstalt auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Patientinnen und Patienten.

Besondere Verantwortung

Schlagend werden könnte auch eine Pflicht für körpernahe Dienstleister – dazu zählen etwa Friseure oder Masseurinnen. Druml geht nun noch einen Schritt weiter: "Auch für vergleichbare Gruppen wie Lehr- und Kindergartenpersonal, Verkaufspersonal oder die Polizei wäre das als Ultima Ratio denkbar. Diese Gruppen haben eine besondere Verantwortung." Dabei gehe es immer um die Impfung als Voraussetzung für die Berufsausübung. Keine Rede ist von körperlichen Zwangsmaßnahmen. "Diese Verpflichtung könnte zum Beispiel auch nur für die Dauer der Pandemie gelten und dann wieder aufgehoben werden."

Gerade bei Pädagoginnen und Pädagogen – und das inkludiert auch Kindergartenpersonal – sieht Druml Handlungsbedarf: "Jeder hat zu Recht gesagt: Die Kinder sind die Verlierer dieser Pandemie. Sie hatten ihr Recht auf Bildung nicht umgesetzt, sie können sich nicht selbst durch Impfung schützen." Kinder seien "abhängig von denen, die sie betreuen, damit sie geschützt sind. Wie kommt eine Familie dazu, noch mehr zu bangen als nötig, damit ihre Kinder nicht angesteckt werden?", so Druml.

Gesundheitsminister schon jetzt zuständig

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) forderte jüngst in einem STANDARD-Interview die Länder auf, eine entsprechende Pflicht in den Krankenanstalten umzusetzen. Dem schloss sich am Montag auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) an. Eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe sei nicht nur denkbar, sondern "möglicherweise auch sinnvoll", sagte er Puls 4. Skeptischer ist Kogler allerdings, wenn es um Lehrer geht.

Mückstein könnte allerdings auch von sich aus tätig werden, wenn er wollte. So sagt etwa Medizinjuristin Maria Kletečka-Pulker: "Der Gesundheitsminister ist ja nicht nur für die Gesundheitsberufe zuständig, sondern auch für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung." Zwar betreffe das Berufsrecht der Lehrerinnen und Lehrer das Bildungsministerium – an das hatte Mückstein den Ball weitergespielt –, "aber der Gesundheitsminister könnte das oberhalb dessen ansetzen und darüber das Wohl der österreichischen Bevölkerung stellen".

Wie das gehen könnte, erklärt Gerhard Aigner, er war bis 2019 einer der obersten Juristen im Gesundheitsministerium. Der Gesundheitsminister hat laut Epidemiegesetz schon jetzt die Verordnungsermächtigung, eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe anzuordnen. Der Gesetzgeber könnte das "für andere Berufe, die kein Gesundheitsberuf sind, aber dennoch ein höheres Infektionsrisiko in sich bergen", so Aigner, in den betreffenden Paragrafen aufnehmen. Diese Gesetzesänderung wäre mit einfacher Mehrheit im Parlament möglich. Im Gesundheitsministerium heißt es, weder eine bundesweite Anordnung für den Gesundheitsbereich noch eine Gesetzesänderung, die es möglich machen würde, dass man auch andere Berufsgruppen einschließt, seien angedacht.

Aigner wirft außerdem ein: "Eine Impfpflicht ist die Ultima Ratio. Solange Hoffnung besteht, dass man das Ziel auch mit gelinderen Mitteln erreicht, kann die Impfpflicht verfassungswidrig sein." Auf der anderen Seite allerdings kann es auch sein, dass der Staat eine Impfpflicht erlassen muss, um seine Bevölkerung zu schützen, wenn dies anders nicht gelingt.

Schutz für Verweigerer

Etwas vorsichtiger argumentiert die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die ebenfalls der Bioethikkommission angehört. "Ich teile die Vorbehalte gegenüber der Impfung nicht, aber aus demokratischer Perspektive muss man auch diejenigen schützen, deren Meinung man nicht teilt." Aber nur insoweit die Gefahr für andere dadurch nicht zu groß werde.

Beim Gesundheitspersonal und auch bei Pädagogen zeige die Abwägung daher, dass eine Pflicht gerechtfertigt wäre. Eine Spur anders sieht dies Prainsack, die betont, hier aus persönlicher Perspektive und nicht für die Bioethikkommission zu sprechen, bei körpernahen Dienstleistern: "Ich kann mich bei einem ungeimpften Friseur immerhin dazu entscheiden, einen anderen aufzusuchen." Insgesamt solle man darauf achten, die negativen Folgen für Impfverweigerer "möglichst gering zu halten". Das könnte zum Beispiel bedeuten, Pfleger oder Lehrerinnen dort einzusetzen, wo es keinen persönlichen Kontakt gibt. Auch über eine unbezahlte Freistellung könne man nachdenken, meint Prainsack, betont aber auch: Oft werde so eine Lösung aber schlicht nicht möglich sein, betont die Sozialwissenschafterin: "Man muss sich eben überlegen, welchen Preis man für die Impfverweigerung bezahlen will.

Daten fehlen

Aber besteht überhaupt die Notwendigkeit einer Impfpflicht für Lehrer? Paul Kimberger, Chef der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer, sieht das nicht so. Er berichtet von einer Impfquote von 80 Prozent unter Lehrern. "Das konnten wir mit Aufklärung und Motivation erreichen. Ich sehe keine Veranlassung, von diesem Weg abzugehen."

Kimberger beruft sich dabei allerdings auf Daten aus einzelnen Ländern und Stichproben, anhand derer man die Quote hochgerechnet habe. Einzelauswertungen pro Bereich – also Pflichtschule, Oberstufe et cetera – gibt es nicht. Aus dem Bildungsministerium heißt es zur Durchimpfungsrate bei den Lehrerinnen und Lehrern, man wüsste das selbst gerne, denn es sei nicht möglich, entsprechende Datensätze aus dem Gesundheitsministerium mit jenen aus dem Bildungsministerium zu verknüpfen. Was die Impfpflicht angeht, so bleibe der Minister aber bei seinem Standpunkt: so eine solle es nicht nur für das Bildungspersonal, sondern wenn, dann für mehrere Berufsgruppen geben.

Im Gesundheitsministerium wiederum heißt es, man dürfe derartige Daten schlicht nicht in einer Form abrufen, die Rückschlüsse auf einzelne Berufsgruppen ziehen lässt. Aber zumindest, was die Lehrerinnen und Lehrer betrifft, schaue man, "ob es doch irgendeine Möglichkeit gibt, ob wir das umsetzen können", sagt eine Sprecherin. Das werde aber noch dauern, weil die Systeme unterschiedlich seien. Bei anderen Berufsgruppen sei das noch komplizierter.

Kritische Stimmen aus der Wirtschaftskammer

Argumentiert wird im Bildungsbereich jedenfalls mit dem Schutz der ungeimpften Schüler. Deren offizielle Vertretung tut sich in der Frage allerdings schwer, Position zu beziehen: Man sei dafür, Impfanreize zu schaffen, sagt Bundesschulsprecherin Alexandra Bosek. Aber zur "heiklen Frage" der Lehrerimpfpflicht wolle man sich "weder positiv noch negativ" äußern.

Vertreter der anderen Berufsgruppen, die von Drumls Vorschlägen betroffen wären, sind nicht begeistert. Von Georg Wilhelmer, stellvertretender Innungsmeister der Friseure, heißt es, wenn, dann müsste eine Impfpflicht für alle Menschen gelten, nicht nur für körpernahe Dienstleister.

Auch Harald Janisch, Fachgruppenobmann der Gruppe Personenbetreuung, die auch für 24-Stunden-Betreuerinnen zuständig ist, meint, man könne einem selbstständigen Menschen keine Impfpflicht auferlegen. Zudem stünde man vor organisatorischen Hürden, weil die meisten Betreuerinnen aus dem Ausland nach Österreich reisen, um hier zu arbeiten. Von Mario Tasotti, Fachgruppenobmannstellvertreter, heißt es ebenfalls, man befürworte keine generelle Impfpflicht für die Branche.

Derweil gilt aber in unterschiedlichen Abstufungen noch weitgehend die Drei-G-Regel. Speziell in der Gastronomie und in Nachtlokalen, wo seit kurzem die Zwei-G-Regel gilt, sollen die Zutrittsvoraussetzungen nun stärker kontrolliert werden als bisher. Mückstein wies die lokalen Behörden per Erlass nun an, verstärkt Schwerpunktkontrollen durchzuführen. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 26.7.2021)