Männer im Gebüsch: 400 Rekruten wurden soeben zur Grenzraumüberwachung in den Osten des Landes beordert.

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400 olivgrüne Rekruten wurden soeben an die Grenze im Osten beordert. Möge Hallein in braunen Springfluten versinken: Pannoniens empfindliche Außenhaut scheint derweil einer Sickerwirkung ausgesetzt. Unsere Soldatinnen und Soldaten üben dort zweierlei Arten Beruf aus. Halb gleichen sie Insektenforschern, die die Exemplare unerwünschter Menschenarten in ihre Netze stecken. Zum anderen greifen sie auf: Menschen und keine Themen, denn sonst bestünde das Bundesheer ja aus lauter Zeitungskommentatoren.

In den strikt pazifistischen Reformjahren der Ära Kreisky hielt man das Heer von den Landesgrenzen lieber fern. Die damalige Verteidigungsdoktrin entzündete sich an der Frage, nicht ob, sondern wann die Panzer des Warschauer Paktes durch das schöne Donautal rollen würden. Mit der überlegenen Roten Armee die offene Feldschlacht suchen? I wo.

Anschein nationaler Souveränität

Also entwickelte man im Heer eine raffinierte Ausweichgesinnung: Sollten die Russen doch die Hofburg besetzen, wenn es ihnen Spaß machte! Der Prater mit seinem Riesenrad, aber auch Mistelbach, die Staatzer Klippe, die Thaya-Auen, das alles sollte ihnen gehören. Sie kannten sich in der Osthälfte ja aus, hatten dort bis 1955 viele Weinkeller gewissenhaft geleert. Der Kanzler und die Seinen? Würden derweil in einem Alpenbunker hinter Kitzbühel sitzen, die Gämsen füttern und den Anschein nationaler Souveränität wahren.

Die Sowjetunion kollabierte fünfzehn Jahre später, unter wenigen hässlichen Geräuschen. Als kleiner, politisch hellwacher Babyboomer wusste ich bereits vorher: Hinter den morschen Brettern dieser oder jener Scheune verbarg sich ein niegelnagelneuer Bundesheerbunker! Wie furchtbar der Schock, als man mich bei der amtlichen Stellung rundweg für untauglich erklärte (Leistenbruchfolgen). Ein Schulkamerad, ein rechter Hallodri und Pazifist, juchzte hingegen laut: Hurra, auch ihn hätte man für untauglich erkannt – wegen verschatteter Lungen.

Die Freude des jugendlichen Rauchers ebbte ganz allmählich ab. Die Krebstherapie, der er sich von da an zu unterziehen hatte, begann keine Woche darauf. (Ronald Pohl, 28.7.2021)