Wien – OMV-Generaldirektor Rainer Seele ist stolz darauf, sich nach sechs Jahren an der Spitze des Konzerns mit Rekordergebnissen aus dem Öl-, Gas- und Chemieriesen verabschieden zu können. Gelungen sei dies in einem "nicht einfachen Marktumfeld", sagte Seele am Mittwoch – bis Ende August ist er noch CEO, danach führt Alfred Stern den Konzern. Im Halbjahr erzielte die OMV durch den höheren Ölpreis und bessere Chemie-Margen Rekorde bei den Ergebnissen.

Im ersten Halbjahr steigerte der Konzern sein CCS Operatives Ergebnis vor Sondereffekten (bereinigt um Lagerhaltungseffekte) um 157 Prozent auf 2,17 Milliarden Euro und den Cashflow aus der Betriebstätigkeit (ohne Net-Working-Capital-Positionen) um 171 Prozent auf 3,44 Milliarden Euro. Das operative Konzernergebnis der Gruppe wuchs von im Vorjahresvergleich 144 Millionen Euro auf 2,40 Milliarden Euro, der Periodenüberschuss drehte vom vorjährigen Minus von elf Millionen Euro auf 1,64 Milliarden Euro ins Plus.

Chemie boomt

Vor allem der Bereich Chemicals & Materials war für den starken Ergebnisanstieg verantwortlich – hier profitierte man von einem starken Polyolefin-Umfeld, unterstützt durch signifikant bessere Margen und höhere Verkaufsmengen.

Bei den Polymer-Margen von Borealis, die sich gegenüber 2020 verdoppelt hätten, habe man den Peak wohl schon im zweiten Quartal gesehen, vermutet Seele. Aber auch im zweiten Halbjahr werde das Niveau gesund sein und nicht nach unten drehen. Die Akquisition der Borealis – der Anteil an dem Kunststoffriesen wurde im Herbst von 36 auf 75 Prozent aufgestockt – bereite der OMV weiter große Freude. Auch im zweiten Halbjahr werde Borealis sehr stark zu den Konzernergebnissen beitragen. Bis Juni sei die Hälfte dessen, was in den Zahlen zu sehen sei, von Borealis gekommen. Der mutige Schritt, Borealis zu akquirieren, zahle sich für die Aktionäre aus.

"Keine Pandemie zu sehen"

Die Chemie-Margen bei Ethylen und Propylen hätten schon gut das Vor-Covid-Niveau erreicht, "da ist keine Pandemie mehr zu sehen", sagt der OMV-Chef. Die weitere Margen-Entwicklung hänge von den Rohstoffkosten ab – wobei steigende Rohöl- und Nafta-Preise die Margen drücken und umgekehrt -, und von der konjunkturellen Erholung. Profitieren könne man vom stärkeren Hygienebewusstsein, einer damit verbundenen hohen Nachfrage nach Verpackungen und den häufigeren Desinfizierungen (Ethylen, Ethanol), die für einen konstanten Absatz sorgen würden. Auch die Erholung am Bau wirke sich positiv aus, etwa weil Polystyrol stärker gefragt sei.

Zu strategischen Fragen äußert sich der scheidende OMV-Chef Rainer Seele nicht mehr. Das sei Aufgabe seine
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Die Umsatzerlöse des Konzerns lagen bis Juni mit 13,70 Milliarden Euro um 73 Prozent höher. Das Plus resultiert aus dem zusätzlichen Umsatz der vollkonsolidierten Borealis und aus höheren Marktpreisen. Die Mitarbeiteranzahl wuchs dementsprechend um 21 Prozent auf 23.530.

Täglich 26.000 Fass

Die Gesamtproduktion erwartet die OMV für 2021 bei rund 480.000 Barrel Öl-Äquivalent pro Tag, abhängig von der Sicherheitslage in Libyen und durch Regierungen auferlegte Produktionskürzungen. Im Halbjahr war die Produktion um 26.000 Fass täglich auf 490.000 Barrel pro Tag erhöht worden.

Den Brent-Ölpreis sieht der Konzern für 2021 zwischen 65 und 70 Dollar pro Barrel (je 159 Liter) – die vorhergehende Prognose lautete auf 60 bis 65 Dollar; 2020 waren es faktisch 42 Dollar/Fass gewesen – heuer im ersten Halbjahr knapp 65 Dollar (nach 40 Dollar ein Jahr davor). Der von der OMV bis Juni im Schnitt realisierte Rohölpreis lag heuer bei 57,60 Dollar/Fass nach 36,28 Dollar ein Jahr davor.

Keine Antwort auf strategische Fragen

Zu grundlegenden strategischen Fragen will sich der scheidende OMV-Chef nicht mehr äußern, das sei Sache seines Nachfolgers. Aber etwa zum milliardenschweren Gasförderprojekt Neptun in Rumänien, zu dem eine finale Invest-Entscheidung noch aussteht, betont Seele, dass dies für die zur OMV gehörende Petrom und deren Zukunftsperspektive wohl von großer Bedeutung wäre, "wichtiger denn je". Die OMV werde "alles daransetzen, dass das Projekt zum Erfolg führt" – die rumänische Regierung müsse für diese Investition jedoch die entsprechenden Rahmenbedingungen sicherstellen. Diesbezüglich sei er aber optimistisch, er erkenne hier das nötige Bewusstsein.

Das boomende Chemie-Geschäft lässt die OMV-Zahlen in die Höhe schießen.
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Zum Wasserstoff-Thema betont der OMV-Chef – ausdrücklich auch in Richtung Umweltministerium – die Wichtigkeit einer Technologieoffenheit: "Legt euch bei Wasserstoff nicht auf eine Farbe fest. Wasserstoff muss nicht nur grün sein, er kann auch blau sein." Er sei ein strenger Befürworter, Erdgas weiter zu nutzen für die Erzeugung von blauem Wasserstoff, "das könnten wir in einer größeren Menge machen". Wenn man Wasserstoff erzeuge, sollte dies klimaverträglich erfolgen. Man könne das CO2 im Prozess einfangen oder auch verhindern, dass es entstehe. Viele Länder würden schon mit blauem Wasserstoff arbeiten, etwa Norwegen. (APA, 28.7.2021)