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Chizuru Arai besiegte Michaela Polleres im Finale, danach umarmte sie die Österreicherin.

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Jubel über Edelmetall gab es schon nach dem Halbfinale.

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Ja, es gab auch einen Moment der Enttäuschung. Aber er dauerte nur kurz.

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Da ist das Ding.

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Vier Medaillen: Michaela Polleres, Chizuru Arai, Madina Taimazowa und Sanne Van Dijke.

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Tokio – "Natürlich", also sprach Michaela Polleres, bevor sie nach Japan abgereist ist, "natürlich möchte ich Gold holen." Am Mittwoch, im Budokan in Tokio, baumelte eine Silbermedaille um den Hals der 24-jährigen Niederösterreicherin, und sie war überglücklich. Natürlich.

Michaela Polleres, aufgewachsen in Reichenau an der Rax und wohnhaft in Ternitz, von wo es nur ein Katzensprung zur Trainingshalle ihres Judoclubs Wimpassing ist, Michaela Polleres hat Österreich am fünften Tag der Olympischen Spiele die dritte Medaille beschert. Silber vervollständigt quasi eine erste Sammlung, vorgelegt hatten Anna Kiesenhofer mit Gold im Radstraßenrennen und Shamil Borchashvili mit Bronze im Judo. Damit hält das ÖOC schon jetzt bei einer Ausbeute, die auch am Ende zufriedenstellend geheißen werden könnte. Doch gibt es durchaus noch einige Hoffnungen, und auch im Judo war – zumindest in Tokio – noch nicht aller Tage Abend.

Revanche

Polleres war, wie sie nach der Siegerehrung der Austria Presse Agentur (APA) sagte, "überglücklich, erleichtert, einfach alles. Ich war schon ein bisschen nervös heute, musste mich zusammenreißen. Aber die Nervosität ist von Kampf zu Kampf weniger geworden." Im Viertelfinale blieb sie gegen die kroatische Weltmeisterin Barbara Matic erfolgreich. Da gelang ihr die Revanche für die Niederlage im WM-Semifinale in Budapest, wo Polleres im Juni Bronze geholt hatte.

Sie gelang nicht zufällig. "Wir haben oft mit Matic in Porec trainiert und ihren Kampfstil studiert. Das hat sich bezahlt gemacht", ließ Österreichs deutsche Cheftrainerin Yvonne Bönisch wissen. "Ich bin richtig erleichtert. Meine Taktik, die Angriffsseite zu wechseln, ist aufgegangen", bestätigte Polleres, die Matic mit Waza-ari, der zweithöchsten Wertung, bezwang.

Waza-ari und Sieg

Zuvor hatte sie sich ebenso gegen die Irin Megan Fletcher und, wenn auch erst im Golden Score, gegen die Südkoreanerin Kim Seongyeon durchgesetzt. In weiterer Folge gelang gegen die Niederländerin Sanne van Dijke der nächste Waza-ari- Sieg, er bedeutete den Finaleinzug. Van Dijke und Polleres hatten auf ihr Semifinale lange gewartet, da sich zuvor die Japanerin Chizuru Arai und die Russin Madina Taimazowa eine gefühlte Ewigkeit lang bekämpften. Der Fight ging in die Verlängerung und währte insgesamt fast 17 Minuten, er hatte auch seiner Härte wegen Seltenheitswert.

Taimazowa, deren rechte Auge fast zugeschwollen war, überstand einen Schulterhebel und gab auch nicht auf, als sie von Arai bewusstlos gewürgt wurde. Der Kampf wurde abgebrochen. ORF-Expertin und Spitzenjudoka Hilde Drexler relativierte, sich bewusstlos würgen zu lassen, "tut wirklich nicht weh. Man wird fast ein bisschen high."

In Österreichs Lager wuchs die Zuversicht vor dem Finale, da sich Arai so lange gemüht hatte. Doch als die Japanerin, die schon zweimal Weltmeisterin war, mit Waza-ari – womit sonst? – in Führung ging, geriet Polleres unter Zugzwang.

Wehmut und Glück

Es gelang ihr aber nicht mehr, entscheidende Akzente zu setzen und Arai ernsthaft in Gefahr zu bringen. "Ich habe bis zum Schluss gekämpft, ich habe alles gegeben. Bis zu letzten Sekunde", sagte Korporal Polleres der APA. "Es hat leider nicht gereicht. Es ist schon Wehmut dabei. Man steht im Finale, sicher will man gewinnen. Aber ich bin trotzdem zufrieden und glücklich mit der Silbermedaille." Es war im Judo Österreichs siebente Olympiamedaille nach zweimal Gold von Peter Seisenbacher (1984, 1988), Bronze von Josef Reiter (1984), Silber von Claudia Heill (2004), Silber von Ludwig Paischer (2008) und eben Bronze am Vortag von Borchashvili.

Wie Borchashvili bedankte sich auch Polleres, in Wimpassing von Adi Zeltner betreut, bei der Anfang Jänner als Österreichs Cheftrainerin angetretenen Yvonne Bönisch. Die Deutsche, Olympiasiegerin 2004 und in jüngerer Vergangenheit in Israel engagiert, habe "das Team zusammengeholt. Der Trainer-Sportler-Kontakt ist super, das steigert die Laune und die Zusammengehörigkeit im Team. Besser kann es einfach nicht sein."

Die Kommunikation zwischen Zeltner in Österreich und Bönisch in Japan habe reibungslos funktioniert. "Sie haben sich abgesprochen, und mit ihr habe ich die Taktik besprochen." Daheim wird es demnächst Zeit für eine ordentliche Feier geben. Ein Termin wird noch fixiert. Natürlich. (Fritz Neumann, 28.7.2021)

Anmerkung: Aktualisierte Version 17:55 Uhr

JUDO – Frauen bis 70 kg:

Gold: Chizuru Arai (JPN)
Silber: Michaela Polleres (AUT)
Bronze: Madina Taimazowa (ROC) und Sanne Van Dijke (NED)